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Auferstehungsgemeinde Kriftel, Sonntag, 10 Uhr: 40 Kirchgänger sind zu diesem "Sublan-Gottesdienst" gekommen. Zwei Kameras zeichnen alles auf, das musikalische Vor- und Nachspiel, wie die Gemeinde betet und singt und die Pfarrer reden. Internetnutzer können per Smartphone, Tablet oder Laptop live mithören, Grußworte schicken, die Predigt kommentieren und Gebetswünsche äußern.
Burkhard Weitz
Eigentlich sollte ein Beamer die Userbeiträge an die Wand werfen. Doch das funktioniert technisch nicht. Nun müssen Gemeindepfarrer Rasmus Bertram und Dekan Martin Fedler-Raupp, heute besuchsweise im Gottesdienst, die Botschaften der User von ihren Handys ablesen. Dabei sehen sie aus wie abgelenkte Jugendliche am Familientisch.
Leitfrage des Gottesdienstes ist: "Wie gehen wir mit Lügen um?" Die ersten Internetnutzer schalten sich zu. Die Pfarrer und eine junge Kirchenvorsteherin lesen ihre Grüße vor. "Auch Sie können Ihre Gedanken einbringen", sagt Rasmus den 40 Versammelten im Raum. Wie, das verrät er nicht. Immerhin hat ein älteres Paar ein Tablet dabei und tippt schon eifrig darauf herum.
Spontane Wortbeiträge von Usern
Die Predigt ist interaktiv. Petrus verleugnet Jesus dreimal, ehe der Hahn kräht. Fedler-Raupp zeigt Verständnis für die Notlüge. Rasmus sagt, zu einem Lügner gehöre immer auch ein Umfeld. "Wenn du nicht darauf achtest, dass dein Gegenüber Fehler machen kann, trägst du zur Lüge bei", sagt er. Und dann reagieren die Pfarrer spontan auf Wortbeiträge von Usern. Sie antworten verständlich und auf den Punkt. Sie erzählen, wie ein ehrliches Eingeständnis ("Ich habe getrödelt, deshalb bin ich zu spät") eine freundlichere Atmosphäre im Raum schafft als faule Ausreden ("Stau, Bahnverspätung, wichtiger Termin"). Und dass Gott seine Kirche ausgerechnet auf einen gebaut habe, der an entscheidender Stelle log: Petrus.
Manchmal geraten sie an ihre Grenzen. Fedler-Raupp fällt zur Aufklärung von Missbrauchsfällen in der Kirche nur ein, dass "die Wahrheit manchmal schmerzhaft ist." – Wie befreiend sie für die Opfer sein kann, sagt er nicht. "Wie verkrafte ich die Wahrheit, dass meine Tochter sterben muss?", eine Userfrage. Rasmus antwortet: "Wenn jemand Hoffnung hat, dann soll ich sie ihm nicht nehmen. Wenn jemand keine Hoffnung hat, soll ich ihn nicht belügen." – Sublan-Gottesdienste stecken noch in den Kinderschuhen. Schön wäre es aber, wenn eines Tages auch Anwesende einbezogen würden.
Evangelische Auferstehungsgemeinde Kriftel
Pfarrer Rasmus Bertram
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