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Nahomi Espinoza (11)
Ich treffe Nahomi an einem heißen Nachmittag in ihrem Häuschen im Barrio Posintepe, wo sie sich gerade für die Schule fertig macht. Wie viele Kinder in Nicaragua geht sie nachmittags zum Unterricht, da die Schulen aus Platzmangel zwei Schichten machen müssen, Vormittags- und Nachmittagsunterricht.
Nahomi wohnt mit ihrer Mutter und drei Geschwistern in einem einfachen, sehr sauberen Wellblechhaus. Wir setzen uns in ein schattiges Plätzchen vorm Haus auf den Lehmboden und Nahomi fängt an, vom Poesiekurs zu erzählen. Für ihre elf Jahre wirkt sie sehr reif und ausgeglichen und deklamiert mir gleich ein eigenes Gedicht, ganz ohne Peinlichkeit und Angst:
Las Flores de mi Jardín
Las rosas son rosas, los claveles azules, las margaritas amarillas,
todas son flores,
pero de distintos colores.
Tomé la rosa y la olí, tomé el clavel y lo olí, tomé la margarita y la olí –
Todas olían deliciosas,
pero mi favoritas eran la rosas,
todas hermosas.
En mi jardín hay muchas de ellas, pero yo quiero la rosa.
La tomé
y se la entregué
a mi madre. Mi madre la puso en un jarrón
y nunca se marchitó
y duró
para toda la eternidad.
(Übersetzung von Johannes Kranz:
Die Rosen sind rosa, die Nelken sind blau, die Margeriten sind gelb,
und alle sind Blumen,
besonders doch jede in ihrer Art.
So nahm ich die Rose und ihren Duft, die Nelke und ihren Duft,
die Margerite und den ihren:
alle so wunderbar, alle bezaubernd,
jedoch meine Liebsten das waren die Rosen.
Ich brach sie und gab sie meiner Mutter.
Meine Mutter gab sie in einen Krug,
und sie verwelkten nicht
bis ans Ende aller Zeiten.
Anmerkung: In dieser ziemlich wörtlichen Übersetzung ist der Rhythmus
weitgehend erhalten, aber es gehen einige Reime verloren, wie flores – colores, rosas – hermosas, tomé – entregué.)
Fragen an Nahomi
Johannes Kranz: Wie bist du zum Poesiekurs gestoßen?
Nahomi: Eines Tages kam eine Gruppe von Kindern zu uns in die Schule und hat den Kurs vorgestellt, und da haben meine Freundin und ich und zwei andere Klassenkameraden uns gleich eingeschrieben. Der Kurs war von
Anfang an sehr… interessant.
Interessant inwiefern?
Also, zuerst haben wir uns gegenseitig Gedichte vorgelesen. Dann haben wir gelernt, uns genauer auszudrücken. Gedichte sind für mich etwas ganz Besonderes, man fühlt sich ganz anders, unglaublich… Ich kann darin besser Gefühle ausdrücken. Deshalb schreibe ich auch gern Gedichte. Und nicht nur für mich, auch für andere kann ich mich ganz anders ausdrücken. Das Gedicht zum Beispiel, das ich gerade vorgetragen habe, habe ich meiner Mutter immer wieder vorgesagt.
Siehst du durch die Poesie die Welt jetzt anders?
Klar, vorher kam mir alles, hm, langweiliger vor. Jetzt sind die Dinge interessanter, intensiver. Ich schreibe jetzt immer wieder Ideen auf, nicht jeden Tag, aber immer wieder.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ja, ich würde gerne weiterhin Gedichte schreiben. Ich helfe auch in meiner Kirche, und ich würde gerne etwas in der Kirche machen, als Beruf. Meine Freunde sagen manchmal, sie träumen von großen Dingen, ich nicht. Ich will predigen lernen und dann die Erlaubnis bekommen, selbst zu predigen, um mit anderen Leuten meine Erfahrungen zu teilen.
Eduardo Vado (10)
Eduardos Gedicht
El cielo es azul. La naturaleza es hermosa,
dando todas sus fuerzas,
para que los arboles den frutos,
que retoñen y crecen grandes y fuertes.
(Übersetzung von Johannes Kranz:
Der Himmel ist blau. Die Natur ist wunderbar,
und sie gibt ihre ganze Kraft,
damit die Bäume Früchte tragen,
damit sie Blätter treiben und groß und stark werden.)
Und dann lacht Eduardo doch etwas unsicher und schaut zu seiner Tante.
Paola Gutiérrez (14)
gemerkt!
Die Kurse waren toll, auch der Lehrer ist super, das war nicht nur Theater, sondern auch Akrobatik, Spiele, Übungen, wie man die Angst verliert, und
so. Dann war ich auch eine Zeit lang im Poesiekurs, das war auch ziemlich cool, wir haben den Unterricht nicht in einem Klassenzimmer gemacht, sondern unter einem Baum. Gedichte vor den Klassenkameraden deklamieren macht Spaß, ich hatte auch meine eigenen Gedichte, aber meine kleine Schwester hat mein Heft verloren, die nimmt immer meine Sachen. Nach zwei Jahren konnte ich dann leider nicht mehr weitermachen, weil ich meiner Mutter bei der Arbeit helfen muss, sie ist Putzfrau."
Maria Mercedes Maltéz (15)
In der Theatergruppe gibt´s immer was zum Lachen, und manchmal sind wir auch laut. Der Lehrer ist sehr streng, aber das ist okay, das ist sein Job. Es ist unfair gegen ihn, wenn wir manchmal zu chaotisch sind. Ich möchte weiter in die Schule gehen und dann studieren. Mein Traum ist es, Ärztin zu werden."
Die Casa de los Tres Mundos ist ein Kinderkulturzentrum in Granada/Nicaragua. Wir stellen es ausführlich vor.