Berlin (epd). Mitte April verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das Verbot organisierter Hilfe beim Suizid. Seit Herbst 2015 macht sich strafbar, wer in sogenannter geschäftsmäßiger Weise Sterbewilligen ein tödliches Mittel überlässt. Die Regelung, die jetzt auf dem rechtlichen Prüfstand steht, wurde lange kontrovers diskutiert - auch in prominenten kirchlichen Haushalten. Die an Brustkrebs erkrankte Frau des damaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Schneider, wünschte sich damals die Erlaubnis für ärztliche Hilfe beim Suizid. Ihr Mann Nikolaus sah das anders. Öffentlich fochten sie um ein Tabu. In einem gemeinsamen Buch blicken sie nun zurück auf die damalige Kontroverse.
Im Gespräch mit dem Autor Wolfgang Thielmann bleibt Anne Schneider auch knapp fünf Jahre nach der Krebsdiagnose bei ihrer Forderung: "Ich plädiere für die rechtliche Möglichkeit eines ärztlich assistierten Suizids." Menschen sollten ihr Leben in einer menschenwürdigen Weise beenden können, sagt sie. Das gelte unabhängig von dem, "was ich selber vielleicht tun oder vielleicht nicht tun will".
Demut vor Gott
Nikolaus Schneider, der wegen der Diagnose seiner Frau im Sommer 2014 vorzeitig sein Amt als Ratsvorsitzender niederlegte, bleibt genauso auch bei seiner Position. Seine zurückhaltende Einstellung im Blick auf das Recht des Menschen zur Selbsttötung und auf die gesetzliche Freigabe eines von Ärzten assistierten Suizids habe sich in den vergangenen Jahre bestätigt, erklärt er in dem Gesprächsband. Zur menschlichen Demut vor Gott gehöre für ihn die grundsätzliche Einschränkung menschlicher Autonomie.
Die Position seiner Frau bezeichnet der Theologe als "Tabugrenze", bleibt aber auch dabei, sie in die Schweiz zu begleiten, sollte sie entscheiden, dort Suizidassistenz in Anspruch zu nehmen. "Denn die Liebe zu meiner Frau geht vor", betont Schneider.
Umgang mit Sterben und Trauer
Auf den knapp 150 Seiten gibt das Paar Einblick in das Ringen bei dem Thema - und wie es damals die öffentlich ausgetragene Kontroverse empfunden hat. "Ich war und bin etwas allergisch gegen die Rollenverteilung: Er, Nikolaus, ist der Überlegte und der theologisch Fundierte. Ich, die krebskranke Frau, bin die Emotionale mit einer für Theologie und Kirche untauglichen Individualethik", schreibt Anne Schneider. Auch ihre Position sei durchdacht, betont sie und fordert von ihrer Kirche "mehr Mut zur protestantischen Freiheit und zur Vielstimmigkeit in ethischen Fragen".
Thielmann und die Schneiders, die mehrere Tage zusammensaßen und das Buch dann in einem zweimonatigen Redigierprozess fertigstellten, sprechen im Buch auch über den Umgang mit Sterben und Trauer. Thema ist auch der Umgang des Paars mit dem frühen Tod der an Leukämie erkrankten Tochter Meike.
Obwohl Anne Schneider bei ihrer Position zum assistierten Suizid bleibt, eines hat sich nach ihren Angaben in den vergangenen Jahren doch verändert. Die Erfahrungen hätten ihre Zuversicht gestärkt, nicht schon bei einer Diagnose an Selbsttötung zu denken. "Wenn bei einer der nächsten Kontrolluntersuchungen Metastasen festgestellt werden und ich die Chemotherapie noch einmal durchstehen muss, werde ich sie angehen", sagt sie heute.