Stuttgart, Windhuk (epd). Die in der Kolonialzeit von den Deutschen erbeutete "Witbooi-Bibel" ist wieder in namibischen Händen. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) überreichte am Donnerstag Bibel und Peitsche des früheren Nama-Anführers Hendrik Witbooi dem namibischen Präsidenten Hage Geingob. Bei der feierlichen Zeremonie in Gibeon im Süden Namibias waren rund 3.000 Menschen zugegen, wie das Stuttgarter Ministerium am Donnerstag mitteilte. Beide Objekte wurden seit über 100 Jahren im Stuttgarter Linden-Museum aufbewahrt. Baden-Württemberg restituierte damit erstmals koloniale Kulturgüter aus Afrika.
"Es ist ein bewegender und historischer Moment, dass wir die beiden Kulturgüter von nationaler Bedeutung an die Menschen in Namibia zurückgeben", sagte Bauer. Die Deutschen könnten die Geschichte nicht ungeschehen machen, aber sich ihrer Verantwortung stellen. "Die koloniale Vergangenheit verbindet unsere Nationen, für Namibia auf besonders schmerzhafte Weise", erklärte die Ministerin.
Witbooi gilt in Namibia als Nationalheld
Bei der Übergabe waren der Gründungspräsident der Republik, Sam Nujoma, der Parlamentspräsident Peter Katjavivi, die Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila sowie Vertreter der Familie Witbooi anwesend. Nach Namibia mitgereist war auch die Chefin des Linden-Museum, Inés de Castro.
Hendrik Witbooi (um 1830 - 1905) gilt heute in Namibia als Nationalheld. Er führte seinerzeit den Aufstand der Volksgruppe Nama gegen die deutschen Besatzer an. Die Familienbibel war sehr wahrscheinlich im Jahr 1893 bei einem Angriff auf den Hauptsitz Witboois von deutschen Kolonialtruppen erbeutet worden. Bei dem Angriff gingen die Kolonialtruppen mit größter Brutalität vor, auch viele Frauen und Kinder wurden getötet. Namibia war von 1884 bis 1915 die Kolonie Deutsch-Südwestafrika.
Ministerin Bauer dankte in Gibeon besonders der Familie Witbooi, die die baden-württembergische Delegation herzlich empfangen habe. Die Familie hatte der Rückgabe an die namibische Regierung zugestimmt. Die Vereinigung der Nama-Stammesältesten (NTLA) kritisiert indes die Restitution an die Regierung und beansprucht die Gegenstände für die Volksgruppe der Nama. Die Bibel soll vorerst ins Nationalarchiv, die Peitsche ins Nationalmuseum von Windhuk gebracht werden.