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Sich an das zu erinnern, was einmal war, und das Verlorene heraufzubeschwören, ist eine der großen Antriebe der Literatur. Autorinnen und Autoren wählen ganz unterschiedliche Wege. Die Pulitzer-Preisträgerin Elizabeth Strout zum Beispiel schreibt einen aus neun Geschichten zusammengefügten Roman. "Alles ist möglich" spielt im nordamerikanischen Provinzstädtchen Amgash, wo viele die psychischen Verletzungen, die sie einst erlitten, zeitlebens nicht mehr loswerden. Die Frau, die als Kind im Müll nach Essbarem suchte, der Vietnamkämpfer, den die Kriegsbilder heimsuchen – all das lässt sich nicht schnell vergessen oder verdrängen. Und doch sind da welche, die nicht aufgeben, die die Provinz verlassen oder ein spätes Liebesglück finden: Manchmal ist fast alles möglich.
Die Raabe-Preisträgerin Judith Schalansky beschreitet andere Wege. Angetrieben vom Begehren, "Verstummtes zu Wort kommen zu lassen und Versäumtes zu betrauern", hat sie sich zwölf Geschichten ausgedacht, die von historisch realen Verlusten ausgehen und in ihrer Literatur konserviert werden. Wie das Atoll Tuanaki, das bei einem Seebeben verschwand, oder Caspar David Friedrichs Gemälde "Hafen von Greifswald", das einem Brand zum Opfer fiel. Was an Schalanskys Geschichten wahr oder nicht wahr ist, spielt keine Rolle. Sie sind betörend und zeigen, dass das, was war, immer noch ist.
Elizabeth Strout: Alles ist möglich. Übers. Sabine Roth. Luchterhand. 252 Seiten, 20 Euro
Judith Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste. Suhrkamp. 252 Seiten, 24 Euro