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Vor ein paar Tagen, kurz nach der Tagesschau, klingelte unser Telefon. "Hier ist Michael! Hallo Arnd, lange nichts von mir hören lassen. Wie geht es dir?" Michael, Michael? Die Stimme kam mir bekannt vor. Mein Gehirn ratterte die Träger dieses Namens durch. In die Pause hinein reagierte mein Gegenüber: "Michael Degen! Sevilla, Córdoba. Na, dämmert's?" Degen, Degen? Der kleine blonde Fotograf? "Genau. Aber so klein bin ich eigentlich gar nicht." Michael Degen. Die Andalusien-Tour mit dem Ballett. Da war ich noch Kulturredakteur in Stuttgart. Also, das ist mindestens fünfzehn, eher zwanzig Jahre her. "Was, so lange? Ehrlich? Da siehst du, wie die Zeit vergeht."
Fröhlich quasselte die Stimme auf mich ein. Erzählte kurz, dass er immer noch in Frankfurt/Main wohne, aber längst nicht mehr bei dieser Agentur von damals arbeite. Dass er inzwischen geheiratet habe, zwei Kinder, aber schon seit acht Jahren geschieden sei. Okay. Schön. Oder besser: schade.
Nein, er lebe jetzt endlich mit der Frau seines Lebens zusammen. Eine Esoterikerin. Mit der habe er jetzt ein Buch gemacht. Über das Blumen-Horoskop. "Die kennst du aus dem Fernsehen, war schon in diversen Talkshows." Erika von Dings, ich konnte mit dem Namen nichts anfangen. "Die kennst du. So 'ne große Rotblonde." Nee! "Nee? Macht nichts."
Degen. Michael Degen. Drei Abende in Spanien. Vor fast zwanzig Jahren. Vermutlich haben wir am Flughafen Adressen ausgetauscht und einander versichert, dass wir uns melden würden, wenn wir in der Gegend seien. So fragte ich: Bist du in der Gegend?
"Nein. Aber ich wollte dich schon lange mal anrufen. Fand ich toll, die Gespräche damals mit dir. In dieser Bodega." Bodega? "Das weißt du doch noch. Wo uns dieser Kerl, dieser besoffene Kollege aus Hamburg so auf den Senkel ging!" Null, nichts. Ein schwarzes Loch. "Du hast ihm so richtig die Luft rausgelassen, diesem Angeber." Das schmeichelte mir, meinem Erinnerungsvermögen half es nicht auf die Sprünge. Allmählich wurde ich ein wenig ungeduldig.
Ich wollte nicht unhöflich sein. Und als er mich dann befragte, was ich so erlebt hätte, ließ ich mich zu einigen biografischen Angaben verführen: verheiratet, Kind, glücklich, zufrieden. "Kinder sind das Größte", begann Michael sein neues Solo. Seit er Kinder habe, wisse er erst, was wichtig im Leben sei. Er sehe sie jedes zweite Wochenende. Eisern. Die Kinder bräuchten den Vater, da sei er sich mit seiner Ex einig.
Deswegen, so quoll es mir in den Kopf, hat er mich doch aber nicht angerufen. Irgendwas will der von dir! Soll ich ihn direkt fragen: Was verschafft mir die Ehre deines Anrufes? Nein, das wäre zu brüsk. Schön, deine Stimme zu hören? Wäre gelogen. Hat dein Anruf einen bestimmten Grund? Kann ich dir helfen? Will ich zwar nicht, aber so geht's. "Nein, gar nicht!" Das klang fast ein wenig beleidigt. "Wollte einfach nur mal wissen, ob du noch lebst und wie es dir geht und überhaupt." Das machte mich verlegen.
Wir plauderten noch ein paar Minuten. Über seinen Job, über meinen. Über seinen Urlaub, über meinen. Ich erfuhr, dass sein Vater vor kurzem gestorben sei. Ein freundlicher Mensch, dieser Michael.
Also, er hat jetzt meine Adresse. Und wenn er mal in der Gegend ist, dann meldet er sich und wir trinken einen Kaffee. "Mach ich auf jeden Fall. Jetzt, da wir wieder Kontakt haben, darf er nicht wieder einschlafen, hörst du! Und du meldest dich, wenn du mal in Frankfurt zu tun hast!" Ehrensache. Also dann, tschüss, mach's gut, Michael.
"Halt, bevor ich es vergesse: Darf ich dir mal unser Buch schicken? Vielleicht findest du eine Möglichkeit, es zu besprechen." Ich wusste es doch! Die Leute melden sich nur, wenn sie etwas wollen. Aber ist das schlimm? Nein, schlimm ist es nicht. Als wir die Idee hatten, in Kärnten Urlaub zu machen, habe ich Gerti angerufen. Nach mehr als zehn Jahren. Weil sie doch aus Kärnten stammt und vielleicht was wüsste. Hallo, hier ist Arnd. Arnd Brummer. Wir sind uns mal auf einem Fest bei Joachim Hotz begegnet.