Die Wahlergebnisse in den USA haben die internationalen Experten wahrhaft in eine tiefe Krise gestürzt. Keine der absoluten Prognosen ging in Erfüllung. Die Wahlen der Abgeordneten für das Repräsentantenhaus – und in einigen Bundesstaaten von Senatoren und Gouverneuren – erwiesen sich für das republikanische Lager von Präsident Donald Trump weder als Anlass für Triumphgeheul noch für depressives Schmerzgeschrei.
Arnd Brummer
Immerhin eines konnten die vor Fernsehkameras versammelten Politologen, Psychologen und Soziologen feststellen: Die Wahlbeteiligung erreichte einen absoluten Rekordwert. Trump und seine Form der medialen Kommunikation bringen die Bürgerinnen und Bürger zur Stimmabgabe auf die Beine. Logisch, dass der Präsident schon kurz nach Schließung der ersten Wahllokale twitterte. In seinem Tweet zitierte er einen konservativen Publizisten mit dem Hinweis, es sei ein "unglaubliches Glück, einen solchen Mann an der Spitze" zu haben. Er sei ein "magic man" – ein Zauberer. Jeden Tag würde er von den etablierten Medien attackiert, "und daraus macht er einen enormen Erfolg".
Lehren für die deutsche Politik?
In Deutschland rätseln derweil die Experten, ob es in den beiden (ehemaligen) Volksparteien CDU/CSU und SPD nicht auch längst jemand geben sollte, der die Leute mit schlichten Worten im Stile von "Wir und die anderen" erreicht. Angela Merkel, so sehr ihr derzeit von vielen Seiten für ihre Arbeit gedankt wird, vermag die sogenannten kleinen Leute ebenso wenig hinter sich zu scharen wie führende Genossen vom Schlage ihres Vizekanzlers Olaf Scholz.
Es scheint eine innere Logik im "global village" – dem weltweit vernetzten Dorf – zu sein: Je differenzierter und schwerer zu überschauen die komplexe und komplizierte Realität ist, desto größer ist die Sehnsucht nach einer schlichten "Ja-oder-nein!"-Dialektik. Immerhin, so lassen auch die US-Ergebnisse hoffen, können nicht nur die Abgrenzungsverfechter davon profitieren. Auch die Verfechter einer offenen Gesellschaft, die einen rhetorischen Fundamentalismus ablehnen, können Stimmen sammeln. Klarheit tut gut! Gerade auch dann, wenn sie im konsequenten Verzicht auf täglich wechselnde Twitter-Zauberworte gezeigt wird. Also, liebe Demokraten: weiter so! Diversity first! Vielfalt statt Einfalt!