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Namibia ist für ziemlich viele Überraschungen gut. Wer etwa von Windhoek, der Hauptstadt, über lange Wüstenstraßen nach Swakopmund fährt, dem schönen Badeort am Meer, wo es noch Schwarzwälderkirschtorten gibt und einiges an Timmendorf erinnert – der kann gleich vor dem Ortseingang ein Martin-Luther-Museum entdecken. Doch die Freude des Theologen währt kurz. Denn dieses Museum hat nur ein einziges Ausstellungsobjekt: eine alte Eisenbahnlokomotive. Dies ist die Geschichte dazu: Vor vielen Jahren blieb eine Lok bei einer Testfahrt einfach im Wüstensand stecken und war nicht mehr wegzubewegen – „Hier stehe ich und kann nicht anders“, soll ein Deutschnamibianer ausgerufen haben – weil man mit der Lok nichts mehr anfangen konnte, ließ man sie einfach stehen – später baute jemand ein Haus drumherum und hängte das Schild „Martin Luther Museum“ über den Eingang – eine örtliche Brauerei gab sich als Sponsor her – so richtig viele Besucher aber wurden hier bisher nicht gesichtet.
Soll das ein angemessenes Bild der Reformation sein – eine steckengebliebene Lokomotive? Ich hoffe nicht: Das Leben eines Christen, erklärt eines der berühmtesten und schönsten Luther-Zitate, ist kein Sein (oder Steckenbleiben), sondern ein Werden (Sichentwickeln, Sichverändern, Wachsen und Reifen). Was für jeden Christen gilt, gilt auch für die Kirche. Sie soll werden (und nicht steckenbleiben), Altes und Falsches abstreifen, Neues und Hilfreiches annehmen. So ist Luther der Allgewalt des Papstes entgegengetreten, hat das fatale Zölibat aufgehoben, den Menschen die Bibel zu lesen gegeben, die Schulbildung gefördert und manches Gutes mehr. Manches Erbstück, das er uns hinterließ, war nicht gut und sollte von uns ausgeschlagen werden. Der Reformationstag, endlich wieder ein „richtiger“ Feiertag, gibt Gelegenheit, über beides nachzudenken und sich so gemeinsam im „Werden“ zu üben.