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Gleich zwei aktuellen Umfragen wünsche ich eine möglichst große Verbreitung in der Öffentlichkeit. Angesichts von Demonstrationen, auf denen ausländerfeindliche Parolen skandiert werden, zeigt eine Studie des unabhängigen Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, dass die Deutschen beim Thema Einwanderung entspannter sind, als es die öffentliche Diskussion vermuten lässt. Im September äußerte sich die Mehrheit der Menschen durch alle Altersgruppen positiv über Eingewanderte und ihre Kinder. Und: Sie sind auch weiter bereit, Geflüchtete aufzunehmen.
Allerdings wünscht sich gut die Hälfte, dass weniger kommen. Frauen sehen die Integration übrigens noch positiver als Männer. Beide Geschlechter liegen im Westen aber mit den Werten hoch – mit deutlich über 60 Prozent. Der Unterschied zwischen Frauen und Männern könnte daran liegen, dass Frauen Geflüchteten häufiger begegnen, denn vor allem sie leisten ehrenamtliche Hilfe bei der Integration. Die Akzeptanz für die kulturelle Vielfalt ist hoch, auch das zeigt die Studie. Gerade in Schulen wird aber auch deutlich, dass in kulturell gemischten Klassen für die Integration viel getan werden muss.
Irmgard Schwaetzer
Wo es Begegnungen und Gespräche zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Traditionen und Religionen gibt, gelingen Integration und friedliches Zusammenleben besonders gut. Die Evangelische Kirche in Deutschland sucht und fördert diese Dialoge. Und dafür gibt es auch gesellschaftlichen Rückhalt, wie eine zweite repräsentative Studie zeigt, erstellt vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD: Fast zwei Drittel der Bevölkerung messen dem christlich-muslimischen Dialog einen hohen Stellenwert bei oder möchten ihn sogar noch verstärken. Auch das Ziel dieses Dialogs ist für die Befragten klar: Sie wollen sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen.
Das muslimische Leben ist vielfältiger als die Verbände
Deshalb ist zu begrüßen, dass die Deutsche Islamkonferenz, organisiert vom Bundesinnenministerium, fortgesetzt werden wird. Sie soll im November in veränderter Zusammensetzung neu beginnen. Neben den etablierten muslimischen Verbänden sollen verstärkt auch Einzelpersonen dazu eingeladen werden. Das hat einen guten Grund. Der zuständige Staatssekretär im Bundesministerium, Markus Kerber, machte darauf aufmerksam, dass von den ungefähr vier Millionen in Deutschland lebenden Muslimen nur 600 000 bis 700 000 regelmäßige Moscheebesucher seien. Demzufolge sei das muslimische Leben in Deutschland weitaus säkularer, "als es die Verbandsvertreter annehmen wollen".
Manche Muslime haben sich in neuen Gemeinschaften gefunden. Die muslimische Rechtsanwältin Seyran Ates zum Beispiel hat 2017 in Berlin die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet, ein bemerkenswerter Vorstoß, der die Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland bereichert. Der Liberal-Islamische Bund hat ebenfalls Gemeinden gegründet, um weitere Musliminnen und Muslime zu erreichen. Es ist gut, wenn sich die vorhandene islamische Vielfalt in Deutschland auch in den Organisationsstrukturen wiederfindet, die unser Religionsrecht erlaubt und fördert.
Wenn diese Vielfalt in der neuen Islamkonferenz besser abgebildet wird, kann dies helfen, die Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland auch öffentlich besser wahrzunehmen und den Dialog zu vertiefen. Ein Dialog auf Augenhöhe ist wichtig, damit Integration gelingt. Und die wiederum ist eine notwendige Voraussetzung für den Zusammenhalt der gesamten Gesellschaft.