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Klara könnte eigentlich froh sein. Nach einem Jahr in der mecklenburgischen Provinz geht sie nun zum Studieren in die Stadt. Aber die Neunzehnjährige packt eher wehmütig ihre Koffer. Ja, das Dorf Dreilützow hat keine Kneipe, keinen Supermarkt, und ohne Auto kommt man hier kaum weg, aber "ich war hier sehr glücklich. Ich fühlte mich gebraucht und anerkannt." Klara hat ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Denkmalschutz gemacht, sie lebte und arbeitete im Schloss Dreilützow nahe Schwerin, in dem heute ein Landschulheim untergebracht ist.
Fundraising, Zimmern, Führungen durchs Schloss
Eine ihrer Aufgaben: dem Schloss "das Lächeln wiedergeben". Die Säulenbrüstung des Balkons über dem Haupteingang ("das Lächeln") war in den 90er Jahren zerfallen, sie sollte wiederaufgebaut werden – mit Hilfe einer Spendenaktion, die Klara organisierte. 15 000 Euro mussten zusammenkommen. Die Abiturientin entwarf Flyer, schrieb Briefe und Artikel, fand Paten für die 51 Baluster, die Stuckateure nach historischem Vorbild gossen. Nebenher zimmerte sie auch, legte Wandmalereien frei, führte Schulklassen durch den Gruseldachboden. "Ich habe viel ausprobiert", sagt sie.
Hanna Lucassen
Das FSJ im Denkmalschutz gibt es seit 1999. Junge Leute können es bei einer von bundesweit 14 Betreuungsstellen absolvieren, den sogenannten Jugendbauhütten. Name und Konzept lehnen sich an die mittelalterlichen Bauhütten an: Handwerksgemeinschaften, in denen Lehrlinge und Meister auf den Baustellen zusammenarbeiteten. "So lernt man am meisten", sagt Martin Bettermann, Leiter der Jugendbauhütte Wismar, zu der auch Klaras Einsatzstelle gehört. Die jährlich etwa 20 Teilnehmer sind in der Region um Wismar verteilt und arbeiten in Museen, Restaurationswerkstätten, Architekturbüros oder eben im Landschloss. Sie besuchen auch Seminare, etwa zu Archivierung, Kunstgeschichte oder traditionellen Handwerkstechniken. "Wir möchten den Blick für unser historisches Kulturgut schärfen. Und die Lust wecken, es zu erhalten", sagt Bettermann.
Viele Absolventen bleiben im Denkmalschutz
Die Hälfte der Jugendbauhütten liegt in der ehemaligen DDR, die erste entstand 1999 in Quedlinburg im Ostharz. Dort restaurierte eine Jugendgruppe unter Anleitung ein Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert und lebte auch darin. Heute wohnen die Teilnehmer meistens für sich oder in WGs. Man sei trotzdem eng verbunden, sagt Klara. Und auch deshalb ist sie ein bisschen traurig. Jetzt wird jeder seiner Wege gehen. Viele Absolventen beginnen eine Ausbildung oder ein Studium im Bereich Restaurierung und Denkmalschutz. Klara hat entdeckt, dass ihr die Arbeit mit Kindern Spaß macht, sie wird in Fulda Soziale Arbeit studieren. Vorher aber wird sie noch feiern: ihren Abschied und die Einweihung der Balustrade. Die ist jetzt fertig.
Einen Überblick über die einzelnen Jugendbauhütten sowie Informationen
zum Bewerbungsverfahren gibt
es bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unter dem Stichwort Jugendbauhütten.
Viele weitere Stellen für ein Freiwilligenjahr findet
man in der evangelischen Freiwilligenbörse Ein Jahr freiwillig.