Fixierungen im Bett dürften nur das "letzte Mittel" sein. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Mehrere Bundesländer müssen nun bis 2019 ihre Landesgesetze anpassen.
Karlsruhe (epd). Patienten dürfen nicht allein auf ärztliche Anordnung im Krankenbett stundenlang fixiert werden. Ein Richter müsse vorher, oder wenn dies nicht möglich ist, nachträglich, die Fixierung genehmigen, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil. Die Richter erklärten landesgesetzliche Regelungen in Baden-Württemberg teilweise für verfassungswidrig und rügten fehlende bayerische Bestimmungen zur Fixierung von Patienten. Experten und Politiker begrüßten die Entscheidung, die mehr Klarheit schaffe. (AZ: 2 BvR 309/15 und 2 BvR 502/16)
Geklagt hatten zwei Psychiatrie-Patienten. Einer der Beschwerdeführer war alkoholisiert in eine Klinik in Bayern eingewiesen worden. Wegen Suizidgefahr wurde er für acht Stunden im Bett an allen Gliedmaßen, Bauch, Brust und Stirn festgebunden, eine sogenannte Sieben-Punkt-Fixierung.
Im zweiten Fall wurde ein psychisch kranker Patient aus Baden-Württemberg über mehrere Tage in der Psychiatrie behandelt und auf ärztliche Anordnung immer wieder im Bett an allen Gliedmaßen und am Bauch stundenlang gefesselt, eine sogenannte Fünf-Punkt-Fixierung.
Das Bundesverfassungsgericht wertete die Fünf-Punkt- oder Sieben-Punkt-Fixierung als Freiheitsentzug, die das Freiheitsgrundrecht der Betroffenen einschränke. Nur als kurzfristige Maßnahme von unter einer halben Stunde sei diese ohne richterlichen Vorbehalt zulässig. Der Gesetzgeber dürfe nur unter "strengen Anforderungen" Fixierungen erlauben.
Fehlende gesetzliche Regelung in Bayern
So dürfe die Fixierung nur das "letzte Mittel" sein. Der Gesetzgeber müsse das Verfahren zur Fixierung zudem klar regeln, befand das Gericht. Außerdem müsse ein Richter immer die Fixierung genehmigen. Sei dies vorher nicht möglich, müsse die Genehmigung nachträglich eingeholt werden.
Die baden-württembergischen Regelungen zur Fixierung von Patienten seien teilweise verfassungswidrig, da diese keine richterliche Entscheidung vorsehen. In Bayern fehle es ganz an einer gesetzlichen Regelung. Bis zum 30. Juni 2019 muss nun der jeweilige Gesetzgeber die Fixierung von Patienten neu regeln. Bis dahin sind Fixierungen mit richterlicher Genehmigung jedoch weiter möglich.
"Das ist ein sehr erfreuliches Urteil. Es schafft klare, längst überfällige Regeln, die für alle verbindlich sind", sagte Arno Deister, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Nach Angaben des Verbandes ist das Vorgehen bei Fixierungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Lediglich in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen sind bei Fixierungen richterliche Genehmigungen vorgesehen, in den anderen gesetzlichen Bestimmungen gibt es den Angaben nach dazu keine Vorgaben.
Auch die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte das Urteil. "Fixierung darf nicht die persönliche Betreuung in einer psychiatrischen Einrichtung ersetzen", sagte sie. Ärzte und Pflegepersonal würden nun noch stärker gefordert, die persönliche Freiheit psychisch kranker Menschen werde besser geschützt.
Hürden für Fixierung
Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte: "Es ist gut, dass das Verfassungsgericht die Hürden für Fixierungen erhöht hat und die Einschaltung eines Richters, notfalls auch nachträglich, nun grundsätzlich bundesweit vorgeschrieben ist." Damit und mit der geforderten 1:1-Betreuung bei Fixierungen werde der Missbrauch von Zwangsbehandlungen eingedämmt.
Die niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann (SPD) betonte, dass das Urteil die bestehende Regelung in Niedersachsen bestätige. Zulässig sei eine Fixierung in einer "öffentlich-rechtlichen Unterbringung", wenn eine erhebliche Gefahr für die untergebrachte Person oder für dritte Personen besteht. "Die fixierten Personen werden aber nicht alleine gelassen", sagte Reimann zu den niedersächsischen Vorschriften. Die Betroffenen müssten immer eine examinierte Pflegekraft zur persönlichen Betreuung an ihrer Seite haben.