Berlin (epd). Therapeutische Hilfe für pädophile Menschen kann entscheidend dazu beitragen, Kindesmissbrauch zu verhindern. Das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" will mit einem neuen Werbspot und einem Online-Selbsthilfeprogramm deshalb künftig mehr Menschen erreichen. Es stellte am Mittwoch in Berlin außerdem die Ergebnisse einer Befragung ehemaliger Berliner Therapie-Teilnehmer vor.
Die Hälfte schaut sich seit ihrer Therapie vor sechs Jahren keine Missbrauchsdarstellungen mehr an. Die andere Hälfte hat ihren Konsum reduziert. Das Netzwerk konnte 69 ehemalige Teilnehmer wieder kontaktieren, 56 antworteten. Bis auf einen Mann sei keiner der Befragten gegen ein Kind übergriffig geworden, berichtete der Sprecher des Netzwerks und Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Berliner Charité, Klaus M. Beyer. Die Ergebnisse seien trotz der geringen Zahlen ein großer Erfolg vor dem Hintergrund, dass ohne Behandlung 80 Prozent aller Täter rückfällig würden, sagte Beier.
Krankenkassen finanzieren Angebote
Seit Jahresbeginn finanzieren die Krankenkassen die Therapie-Angebote des Netzwerks "Kein Täter werden". Über Jahre war das Projekt mit der Zentrale an der Berliner Charité und zwölf Außenstellen in der ganzen Bundesrepublik als Modellprojekt von Stiftungen, der Bundesregierung und dem Berliner Senat gefördert worden. In fünf Jahren soll die Behandlung nach Möglichkeit ganz in den Leistungskatalog der Kassen übernommen werden. Eine Behandlung kostet im Durchschnitt 12.000 Euro, 2.000 Euro pro Quartal.
Nach Angaben des Netzwerks haben sich bis Ende März 9.515 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet hilfesuchend an das 2011 gegründete Präventionsnetzwerk gewendet. 2.894 Personen stellten sich an einem der Standorte zur Diagnostik und Beratung vor, 1.554 von ihnen konnte ein Therapieangebot gemacht werden. Insgesamt haben 925 Teilnehmer die Therapie begonnen und 360 erfolgreich abgeschlossen. 345 befinden sich aktuell in einzel- und gruppentherapeutischer Behandlung, rund 90 Personen nehmen an einem der Standorte am Angebot der Nachsorge teil.
Verhaltenskontrolle entscheidend
Verhaltenskontrolle ist der entscheidende Faktor bei Pädophilie, weil sich die Veranlagung nicht ändern lässt. Die rund 40 Therapeuten des Präventionsnetzwerks an zwölf Standorten in Deutschland arbeiten ausschließlich im sogenannten Dunkelfeld, also mit Männern, die von sich aus Hilfe suchen. Ein Viertel hat bereits einen Kindesmissbrauch begangen, zusätzlich etwa die Hälfte schaut sich Missbrauchs-Darstellungen im Internet an. Ihnen wird Anonymität zugesichert. Auch die Krankenkassen erfahren nichts von der Behandlung.
Tilmann Krüger, stellvertretender Sprecher des Netzwerks und Sexualmediziner an der Medizinischen Hochschule Hannover, berichtete, pädophile Menschen hätten häufig psychische Begleiterkrankungen, die behandelt werden müssten, weil sie das Risiko, zum Täter zu werden, weiter erhöhen. Die Rate an Depressionen und Angsterkrankungen sei doppelt so hoch wie in der Bevölkerung. Viele hätten selbst Missbrauchserfahrungen hinter sich.
Pädophile sind Menschen, die sich sexuell zu Kindern vor der Pubertät hingezogen fühlen, Hebephilie nennt man die Präferenz für Jugendliche. Sexualwissenschaftler gehen davon aus, dass ein Prozent der Männer - in Deutschland rund 250.000 - eine der beiden Veranlagungen haben.