Foto: Pommersches Landesmuseum Greifswald
Stille Ostern
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
01.04.2018

Es gibt die klassischen, großen, leuchtenden Auferstehungsgemälde. Sie zeigen den triumphierenden Auferstandenen in überweltlicher Herrlichkeit. Und es gibt ein kleines, verhaltenes, in einem Brand versehrtes, lange Zeit vergessenes, erst vor wenigen Jahren wiedergefundenes und in die Heimat zurückgekehrtes Bild, das einen ganz anders auf Ostern schauen lässt. Es hängt heute im Pommerschen Landesmuseum Greifswald.

In diesem Bild fehlt alles, was man für gewöhnlich mit Friedrich verbindet: Weite Landschaften, unendliche Meeresstrände, aufragende Gipfel, jähe Abgründe, strahlende Himmel, majestätische Felsen oder monumentale Ruinen – all diese absoluten Landschaften, die beim Betrachter Staunen, Grauen und Ehrfurcht auslösen. Auratische Offenbarungsorte mit ungeheuerlichen Lichtverhältnissen: Mondschein, Abend- oder Morgenrot, Nebelglanz, Sonnenstrahlenkranz. Meist stehen einsame Männer davor. Mit dem Rücken zum Betrachter schauen sie in die Ewigkeit Gottes.

1825 hat Caspar David Friedrich die „Zum Licht hinaufsteigende Frau“ gemalt – seine Frau Caroline, wie sie in ihrem gemeinsamen Haus eine steile Treppe emporgeht. Es ist eine scheinbar ganz alltägliche Szene. Sie spielt nicht draußen, sondern drinnen – noch dazu in einem engen, geschlossenen, kalten Raum. Eigentlich sind dieser öde Flur und diese karge Stiege kein Motiv, das zu malen sich lohnte. Denn dies ist sicherlich der hässlichste und unwohnlichste Ort des Hauses. Dennoch liegt ein Zauber in diesem Bild verborgen. Aus der Tiefe führt eine geheime Spur in die Höhe, aus dem Dunkeln führt eine Ahnung ins Helle. Ein Licht leuchtet – hell und warm, aber man weiß nicht, was seine Quelle ist. Eine bloße Lampe oder ein Fenster können es nicht sein. Die Frau steigt – nein, mit überaus geradem Körper, aufrecht scheint sie empor zu schweben.

Es ist, als hätte Friedrich etwas gemalt, das es in der Wirklichkeit nicht gibt, das man aber innerlich empfinden kann: wie ein inneres Licht einen aus der Verzweiflung in die Zuversicht, aus der Trauer in die Hoffnung, aus dem Tod ins Leben führt, so dass man selbst innerlich aufersteht mitten am Tag, im eigenen Haus, im eigenen Leben.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur