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Die Kirche passt sich ein in die Reihen der zweigeschossigen Mietshäuser. Nur das Kreuz und die großen Erdgeschossfenster deuten an: Hier ist mehr als Wohnhaus. Drei Tage nach dem Welt-Alzheimertag feiert die örtliche Kirchengemeinde den Abschluss der Dortmunder Demenzwoche mit einem Gottesdienst. Nicht mit Dementen, sondern um über die Krankheit zu informieren.
Der Kirchraum unter dem getäfelten Tonnengewölbe ist lichtdurchflutet, Stühle stehen im Halbkreis um den Altar. Pastorin Renate Jäckel begrüßt die etwa 30 Besucher, davon ein Drittel Konfirmanden. Sie weist auf Vexierbilder auf dem Liedblatt. Etwa auf Gesichter im Schattenriss – oder ist der Zwischenraum ein Kelch? „Es gibt verschiedene Sichtweisen“, sagt Jäckel. „Sehen ist nicht gleich sehen. Und nicht immer sehen wir alles.“ Ihre Erläuterungen bleiben vage. Will sie darauf hinaus, dass an Demenz erkrankte Menschen oft nicht das ganze Bild erkennen? Viel mehr als das lernt man in diesem Gottesdienst nicht dazu.
Frühstück, Spielen, Mittag, Pause, Spielen
Die Leiterin der örtlichen Demenzgruppe stellt sich vor die Gemeinde und erzählt vom Tagesablauf ihres Montagskreises: Frühstück, Spielen, Mittag, Pause, Spielen. Die Pastorin schlägt sacht auf eine Meditationsschale. Drei Konfirmandinnen schleichen sich verspätet in die Kirche. Sie werden nach vorne in den Stuhlkreis gebeten. Eine zweite Pastorin tritt auf, Antje Lewitz-Danguillier. Sie erzählt von ihrer kirchlichen Arbeit mit Demenzerkrankten und wie demente Gottesdienstbesucher ihre Liedblätter zerknüllt haben. „So bekamen sie neue Formen.“
Nun soll jeder auf Karten schreiben, woran er denkt, wenn er Dementen begegnet. Viele legen eifrig los, auch Konfirmanden. „Ich empfinde Mitleid“, schreibt jemand. „Ich hoffe, dass die Person ein schönes Leben hat.“ Und: „Hoffentlich werde ich nicht so.“
„Biblische Vertiefung“ steht auf dem Liedblatt für das, was jetzt kommt. „Wir sind bunt, wir sind schön“, sagt Pastorin Lewitz-Danguillier. Sie verteilt Plastikkaleidoskope mit Schlüsselringen. „Geil“, entfährt es einer Konfirmandin. Sie guckt gleich hindurch. „Wir haben die Zusage, dass Gott uns zuschaut, nicht ausspäht“, sagt die Pastorin. „Es ist ein Annehmen in den vielfältigen Situationen.“
Bei den Abkündigungen erfährt man: Dies war der letzte reguläre Gottesdienst in dieser Kirche. Beim nächsten werde die Kirche entwidmet. Schade um die schöne 50er-Jahre-Architektur!
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