Neulich besuchte ich den Friedenspark in Hiroshima. Ein seltsam stiller Ort, im Zentrum der geschäftigen Millionenstadt, von zwei Flüssen umschlossen. Am 6. August 1945 explodierte hier in der Luft die Atombombe und zerstörte 80 Prozent der Stadt. Daran erinnern ein Museum, verschiedene Denkmäler und der sogenannte A-Bomb-Dome, die Ruine der ehemaligen Handelskammer, die als einziges Gebäude stehen geblieben war. Ich kam hier mit einem älteren Mann ins Gespräch, der Vögel fütterte. Die Sperlinge setzten sich in seine offene Hand und pickten die Brotkrumen, die er ihnen anbot. Der Frieden sei immer wieder bedroht, sagte er. Er mache sich Sorgen wegen der US-amerikanischen Kriegsflotte, die Donald Trump gerade in die Region entsandt hat. Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un droht nun mit Atomangriffen auf seine Nachbarn, sollten die USA einen Erstschlag gegen Nordkorea führen. Japan stecke in einem Dilemma, erklärte mir der Mann: Man wolle keine Eskalation in der Region, aber man brauche die USA als Schutzmacht.
Jeder Besucher darf die Friedensglocke läuten
Im Park demonstrierte auch ein 72-Jähriger für den Frieden. Sein Appell: Keine Atomwaffen auf der ganzen Welt! Er erzählte seine Geschichte gerade ein paar Frauen, als ich dazukam: Seine Mutter war mit ihm schwanger gewesen, als die Atombombe fiel. Sie hatte ihn noch zur Welt bringen können, bevor sie bald darauf an den Strahlenschäden starb. Er zeigte historische Bilder der niedergebrannten Stadt. Der heutige A-Bomb-Dome sieht darauf aus wie ein angeschlagener Boxer, der einfach nicht umfallen will. Die Frauen hörten ihm gebannt zu. An diesem Ort wird nicht diskutiert, nicht geklagt, nicht gelacht, es liegt ein Erschauern vor dem Unfassbaren in der Luft. In die Stille ertönt manchmal die Friedensglocke am Nordeingang. Jeder Besucher darf sie läuten.
Volker Keller
Als ich später in der Stadt unterwegs war, las ich überraschend deutsche Worte. Ein junger Mann an einem Flohmarktstand demonstrierte mit einem Plakat: „Atomkraft? – Nein danke!“ Er habe es von einem Freund aus Berlin und protestiere gegen die japanische Regierung, die auch nach der Katastrophe von Fukushima Atomkraftwerke für sicher erklärt und die Atomenergie weiter ausbauen will. „Die Japaner ordnen sich unter, sie mögen nicht kämpfen“, sagte er. Sie suchten den Frieden in sich selbst, etwa bei der Meditation. Das mache er auch. Aber er wolle eben auch nach außen zeigen, wofür er steht.