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Es lohnt sich, Romane zu lesen, um mehr über das Innenleben der USA zu erfahren. Zum Beispiel „Ein wenig Leben“, das voluminöse, aufwühlende Epos der 1974 geborenen Hanya Yanagihara, das über mehrere Jahrzehnte das wechselhafte Leben von vier Studienfreunden verfolgt. Alle bringen sie es – ob als Anwalt oder Architekt – zu einigem Ansehen, und doch spiegeln ihre Biografien voller Ängste, Verluste und Erniedrigungen das seelische Elend unserer Gegenwart in oft düsteren, quälenden Schattierungen wider. Eine ergreifende Lektüre, die niemanden kalt lässt, ein Buch der Abgründe.
Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben. Übersetzt von Stephan Kleiner. Hanser Berlin. 960 Seiten, 28 Euro
Yanagiharas Landsmann Castle Freeman, Jahrgang 1944, geht, wie es der Titel seines Romans – „Auf die sanfte Tour“ – verheißt, anders vor: Er führt in ein Städtchen in Vermont. Dort weiß der gutmütige Sheriff Wing, wie man die widerstreitenden Kräfte in einem kleinen Kosmos zusammenhält, ohne sich an die Buchstaben des Gesetzes zu klammern. Plötzlich jedoch sieht er sich mit der Russenmafia konfrontiert. Ein Safe mit brisantem Inhalt wird gestohlen, und Wings Untergebener Deputy Keen strebt danach, den scheinbar aus der Zeit gefallenen Wing abzulösen. Zwei Methoden, für gesellschaftliches Miteinander zu sorgen, prallen aufeinander – ein aufschlussreiches Bild jener US-Landstriche und ihrer Menschen, die oft übersehen werden.
Castle Freeman: Auf die sanfte Tour. Übers. von Dirk van Gunsteren. Nagel & Kimche. 192 Seiten, 19 Euro