Frank-Jürgen Weise
Dirk von Nayhauß
"Wenn Jesus vergeben kann, muss ich es als Mensch doch auch können!"
Dirk von Nayhauß
18.11.2016

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich es schaffe, sehr früh aufzustehen und in der freien Natur Sport zu machen – im Wald, am Wasser. Dann habe ich Ruhe, in der Bewegung wird mein Kopf frei. Morgens bin ich klar, nach einer Nacht kann ich die Dinge wieder so sehen, wie sie sind. Und dann kann ich nachdenken und meine Entscheidungen treffen.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ja. Jesus ist in der Bibel in allen Facetten beschrieben, mit seinen Stärken, seinem göttlichen Wirken, seinen menschlichen Sorgen. Das Schöne ist: Er gibt uns keine zu engen Regeln, ich muss nicht strengen Ritualen folgen, um mir oder anderen meinen Glauben zu beweisen. Aber er gibt mir eine Orientierung. Meine Tochter hat mir aus New York einen Schlüsselanhänger mitgebracht, da steht drauf: What would Jesus do? Ich muss zum Beispiel entscheiden, dass befristete Verträge enden. Aber dann muss ich auch an den Menschen denken und überlegen: Was kann er an anderer Stelle tun? Wie kann ich den Übergang organisieren? Das geht nicht immer gut. Wie jeder Mensch mache ich Fehler, ich versage, ich habe sogar böse Gedanken. Das zu akzeptieren ist schwierig, doch ich habe das Gefühl, dass ich auf Gnade hoffen kann.

Dieses Vertrauen habe ich – trotzdem ringe ich täglich mit meinem Glauben. Wenn ich sehe, welche Boshaftigkeit einem manchmal im Beruf widerfährt. Wenn ich sehe, wie Kriminelle sich des Lebens anderer bemächtigen, dann bin ich empört und neige zu sagen: Da muss man ganz hart sein! Aber es bleibt dabei, dass der Mensch nicht kriminell und boshaft geboren wird. Manchmal muss ich sehr darum kämpfen, diesen letzten Respekt zu bewahren. Ich habe aber einen guten Kreis, wo ich über solche Themen als Mann sprechen kann und immer wieder ermuntert werde, standzuhalten. 

Muss man den Tod fürchten?

Wenn ich sehe, wie der Tod stattfindet, dann ist das beängstigend. Eigentlich bin ich recht furchtlos, aber ganz schlimm verletzt zu sein, weder reden noch liegen zu können und dann zu sterben, das fürchte ich. In der großen Perspektive muss ich den Tod natür­lich akzeptieren. Ist nicht gerade gemütlich, aber da muss man durch. Im Glaubensbekenntnis heißt es: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Mir fällt es schwer, mir das vorzustellen, aber ich glaube daran. Wirklich nahe war ich dem Tod noch nicht. Sicher, in Verkehrssituationen, ich fahre gern Motorrad. Und vielleicht früher, als ich in jungen Jahren in der Liebe bitter enttäuscht und niedergeschlagen war. Heute würde ich als Mensch, der viel Erfahrung hat, sagen: Das gehört zum Leben dazu.

"Einen Shitstorm lasse ich an mir abtropfen"

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die Liebe zur Familie, zur Frau, zu den Kindern, zu den Eltern. Und Liebe zu anderen Menschen überhaupt. Ich empfinde eine große Freude in der Zusammenarbeit – im Beruf und als Soldat bei der Bundeswehr, in der ich ja noch bin.

Wie gehen Sie mit Kritik um?

Ich behaupte gut. Ich will, dass es rechtzeitig vor einer Ent­scheidung Widerspruch gibt. Unter dem Druck der vielen Arbeit fällt es mir allerdings immer wieder schwer, geduldig zuzuhören und den Standpunkt des anderen aufzunehmen. Ich arbeite im Moment sieben Tage die Woche und spüre die Bedeutung der biblischen Worte, dass eine Pause dazugehört. Der siebte Tag ist mir verloren gegangen. In einem normalen Arbeitsmodus freue ich mich, wenn Leute den Mut und das Selbstbewusstsein ­haben, mir zu widersprechen. Etwas anderes ist jene Kritik, die man in den neuen Medien mit Shitstorm beschreibt. Was ich für Zuschriften kriege! Das ist eine große Last, aber ich versuche, durchzukommen und nicht hinzuschauen. Ich lese das nicht mehr, ich lasse solche Dinge an mir abtropfen wie die Ente das Wasser.

Fällt es Ihnen leicht, anderen zu vergeben?

Nein! Ich kultiviere meine Misserfolge, und ich kann Menschen, die mich sehr enttäuscht haben, nicht so schnell vergeben. Manches gelingt mir sehr gut, doch an diesem Punkt habe ich noch Verbesserungsbedarf. Und wenn Jesus vergeben kann, dann muss ich es als Mensch doch auch können! Vergebung ist etwas Entscheidendes, denn durch Vergebung wird man frei. Nicht zu vergeben ist ein Gift, ist eine Last im Umgang mit anderen Menschen. Das hat mich selber zu oft runtergezogen und zu brutaler Härte geführt. Aber es gibt Wege. Am besten komme ich aus diesem Groll heraus, wenn ich mit anderen spreche, die in einer vergleichbaren Lage sind.

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Zitat: "Wenn Jesus vergeben kann, muss ich es als Mensch doch auch können!"

Sollen wir Leser den Schreiber "wahrlich" ernst nehmen, oder wollen Sie, dass wir alles für vage, gar für scheinheilig, für unwahr halten? Jesus ist Gottes Sohn, er ist kein normaler Mensch. Wenn es denn so ist, sind wir nur das Ergebnis einer unvollkommenen Schöpfungsgeschichte. Was Jesus konnte, kann und künftig noch tun können soll, das konnten und können wir unvollendeten Abdrucke nie. Wenn wir uns mit Jesus vergleichen, ist das eine pure Anmaßung. Man kann allerlei Erklärungen, Vergleiche und Mutmaßungen anstellen, die Exegese ist vielfältig einsetzbar. Aber dass wir uns mit unserem Können letztlich gottähnlich machen können sollen, ist total unmenschlich. Wozu haben wir überhaupt die unvermeidlichen menschlichen Schwächen? Warum wurden sie uns gegeben? Sind wir für etwas verantwortlich, was uns die Natur ohne unsere Zustimmung mitgegeben hat? Wir sind damit doch ein unschuldiges Opfer der allmächtigen Natur! Dieses Dilemma haben auch die klügsten Köpfe bisher nicht entwirren können.

Hat der christliche Glaube eine positive Wirkung auf die Gläubigen? Wenn das der Fall ist und der christliche Kosmos nur so von Vergebung erfüllt ist, dann dürfte es ja unter den Gläubigen wesentlich weniger Verleumdungsklagen, Scheidungen und Erbstreitigkeiten geben, als bei den Ungläubigen. Auf diese Statistik bin ich gespannt.