chrismon: Seit fast 30 Jahren kämpfen Sie als Gewerkschafterin für bessere Arbeitsbedingungen. Was hat sich getan?
Nazma Akter: Es gibt mehr Arbeiter, Unternehmen und größere Fabriken. Bangladesch wurde der zweitgrößte Textilexporteur der Welt. Aber die Arbeiter — 80 Prozent von ihnen sind Frauen — profitieren davon nicht: Die Bildung ist schlecht, die Lebenshaltungskosten sind hoch, viele sind unterernährt und oft krank.
Gibt es denn keine Gesetze?
Doch. Zum Beispiel, um pünktliche Bezahlung, Vereinigungsfreiheit oder Unfallschutz zu garantieren. Aber es gibt eine große Lücke zwischen „recht haben“ und „recht bekommen“.
Wie reagieren die Fabrikanten auf Ihre Forderungen?
Sie sind nicht bereit, darüber zu verhandeln. Ich versuche, sie davon zu überzeugen, dass zufriedene Arbeiter ein Gewinn fürs Unternehmen sind. Ohne Erfolg. Auch die Händler kümmern sich selten um die Belange der Arbeiter, sie wollen immer nur den niedrigsten Preis bezahlen.
Was verhindert Veränderung?
Die Politik. Sie ist korrupt. Viele ehemalige Geschäftsleute sitzen in Parlament und Regierung. Politik wird natürlich zugunsten der Unternehmen gemacht. Wenn Arbeiter aufbegehren, müssen sie befürchten, gekündigt oder von Aufsehern geschlagen zu werden. Gewerkschaftsmitglieder bekommen weniger Lohn. Wenn Unternehmer erfahren, dass Angestellte eine Gewerkschaft gründen wollen, bestechen sie die Verwaltung, die dann die Genehmigung verweigert.
Seit Juni gibt es einen neuen Textilstandard von Fairtrade, der etwa festlegt, dass die Löhne schrittweise auf einen existenzsichernden Lohn erhöht werden müssen, dass Umwelt- und Sicherheitsstandards in den Fabriken eingehalten werden...
Genau. Die Produktionskette muss vom Hersteller über den Lieferanten bis zum Einzelhändler fair und transparent sein. Passiert ist noch nichts, denn noch macht kein großer Hersteller mit. Aber auch die Konsumenten müssen umdenken. Wer bezahlt dafür, wenn in Europa jemand zwei Shirts zum Preis von einem kauft? Es sind unsere Arbeiter.