chrismon: Sie erforschen, wie man Knochengewebe mit dem 3-D-Drucker herstellen könnte. Wie soll das gehen?
Tilman Ahlfeld: Wir stellen uns das Verfahren idealerweise so vor: Wenn ein älterer Patient einen Oberschenkelhalsbruch hat, der nicht heilbar ist, entnimmt man ihm Zellen und vermehrt sie. Danach setzt man die Zellen in eine Art Gel und lässt den 3-D-Drucker daraus mehrere Schichten übereinander drucken, wobei kleine Zwischenräume gelassen werden. So entsteht eine Art durchlässiges Gitter. Damit die Form des Gitters – also das spätere Implantat – genau passt, vermisst man den Patienten mit einem Computertomographen und gibt diese Daten in den Drucker ein.
Wie wird aus den Gelgittern dann fester Knochen?
Man muss das Material stabilisieren, ohne dass die Zellen kaputtgehen – das ist bisher schwierig. Außerdem regen wir die Mineralbildung der Zellen an, damit sich eine feste Struktur bildet. Das ist wichtig, weil sich das Gel später im Körper zersetzen soll. Am Ende bleiben nur körpereigene Zellen übrig, und es kommt nicht zu Abstoßungsreaktionen. Bei Ratten funktioniert einiges davon schon.
Klingt genial. Wo ist der Haken?
Es ist sehr schwierig, ein passendes Gel zu entwickeln: Es muss viel Wasser enthalten, sodass die Zellen gut darin überleben können. Gleichzeitig muss es fest genug sein, damit man eine Struktur drucken kann. Drittens muss es sich wie gewünscht zersetzen. Und auch die Blutgefäße in der Knochenhaut sind ein Problem.
"Theoretisch kann man viele Zelltypen gleichzeitig drucken"
Was ist daran schwierig?
Die Löcher in unserer Gitterstruktur bieten zwar Platz für Blutgefäße, aber von selbst wachsen im Körper nicht genügend hinein. Dann stirbt das neue Gewebe, weil es keine Nährstoffe bekommt. Wir müssen also Möglichkeiten finden, schon vor der Implantation Blutbahnen im Gewebe wachsen zu lassen.
Welche Möglichkeiten bietet diese Technik noch?
Forscher arbeiten daran, auf diese Weise auch Organe zu drucken. Aber man muss sich klarmachen: Knochen und Organe sind umgeben von Muskelzellen, Fettzellen und so weiter, die weitere Anforderungen an das Druckverfahren stellen. Theoretisch kann man viele Zelltypen gleichzeitig drucken. Aber keiner weiß genau, wie sie sich verhalten, wenn man sie mischt.
Und in zehn Jahren?
Ich gehe nicht davon aus, dass Patienten so bald Knochengewebe oder Organe aus dem 3-D-Drucker bekommen können. Schon deshalb nicht, weil man für jedes Gewebe eine eigene klinische Zulassung bräuchte. Ich hoffe aber, dass wir dann zumindest einfache Implantate auf diesem Weg herstellen können, erst einmal aus Werkstoffen ohne Zellen. Mit Calciumphosphat-Zement, das schon bei Bandscheibenoperationen zum Einsatz kommt, könnte man zum Beispiel Prothesen für Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten drucken.