Ärztin mit verschränkten Armen
Wieder umsonst gewartet? Manche Krankheiten sind schwer zu entdecken
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Wo Erfahrung wenig hilft
Bei seltenen Krankheiten sind Ärzte oft überfordert. Studenten helfen, die Perspektive zu weiten
Tim Wegner
19.12.2015

chrismon: Was sind seltene Erkrankungen?

Christopher Grimm: Krankheiten, unter denen weniger als fünf von 10 000 Menschen leiden. Sie sind so selten, dass die meisten Ärzte die Symptome oft nicht zuordnen ­können. Es gibt 8 000 seltene Erkrankungen, von denen aber – zusammengenommen – allein in der EU zwischen 27 und 36 Millionen Menschen betroffen sind. Eine der be­kannteren ist Mukoviszidose.

Wie kommen die Fälle zu Ihnen?

Alles fängt damit an, dass ein Hausarzt oder Facharzt Patienten an uns überweist. Wir haben einen Fragebogen für den überweisenden Arzt, damit wir mehr erfahren. Wir fragen nach allen ärztlichen Unterlagen aus ihrer Patientengeschichte: nach alten Befunden, Arztbriefen. Nicht selten füllen die Papiere ganze Ordner.  

Was heißt: Studentenklinik?

Jeder Studierende bekommt einen Fall. ­Entweder sind das Leute, die das Wahlfach „Seltene Krankheiten“ belegen, oder studen­tische Mitarbeiter. So wird ein Student „Case Manager“, liest sich die Unterlagen durch, recherchiert im Internet, in Büchern und fasst alles noch mal zusammen. Je unspezifischer Beschwerden sind, desto schwieriger ist unsere Arbeit. „Mir ist immer schwindelig“ wäre so eine unspezifische Aussage. Je objektiv fassbarer Befunde sind, desto besser – also etwa Fieber oder auf­fällige Blutwerte. Die Zusammenfassungen diskutieren wir alle zwei Wochen in der Gruppe mit Professor Dr. Wagner und bei Bedarf anderen Fachärzten. Dann ent­scheiden wir, was wir als weiteres Vor­gehen empfehlen.

Denken Patienten: „Jetzt lassen die schon Studierende an mir herumdoktern!“?

Nein. Oft sind das Patienten mit einer langen Leidensgeschichte, die schon unzählige ­Male erfolglos bei allerlei Fachärzten waren. Wir sind für die meisten ein neuer Ansatzpunkt. Bei seltenen Erkrankungen hilft Erfahrung wenig. Im Gegenteil: Erfahrene Fachmediziner denken primär in ihrem Fachbereich. Während des Studiums haben wir noch Kontakt zu allen Fächern und einen sehr breiten Blick.

Können Sie eine Diagnose verraten?

Das ist heikel, es kann Rückschlüsse auf ­Einzelschicksale ermöglichen. Aber eine ­typische Differenzialdiagnose, an die wir ­öfter denken, ist Morbus Fabry, eine Stoffwechselkrankheit. Genetisch bedingt sammeln sich bestimmte Stoffe im Körper der Betroffenen an. Oft kommt es erst im jungen Erwachsenenalter zu Beschwerden, etwa zu Schmerzen in Händen und Füßen. Das ist diffus und für Ärzte erst mal nicht greifbar.

Und in zehn Jahren?

Die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen wird sich weiter verbessern. Das Interesse daran hat in der EU stark ­zugenommen, was sich in einer Vielzahl ­an neuen Fachzentren und Forschungsprojekten widerspiegelt.

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Ich würde dies als Patient auf jeden Fall machen. ich war in 2012 auch im Krankenhaus,hoher Crp, BSG Hb zum Schluß fast auf 7, niemand wußte was es war, man fand nix. Eine werdende Ärztin im Krankenhaus war durch Zufall eine Schulkameradin meiner Tochter, sie haben sich alle sehr bemüht. An einem Tag fragte sie mich dann ob sie meine Unterlagen mal mit zu den Studenten nehmen dürfte, vielleicht hat da noch einer eine Idee. Sie sagte, die sehen das manchmal noch mit einem anderen Blick. Ich bejahte es. Es kam dann nicht mehr dazu, weil man dann nach langem untersuchen und ein zweites mal auf die Bilder gucken, die Diagnose RZA stellte, eine schon seltene Krankheit. Aber ich hätte es auf jeden Fall gemacht.

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Hallo Christopher,
die Idee mit der Studentenklink und Case- oder Fallmanager hört sich erst einmal gut an. Wenn du meinen oder einen anderen ähnlichen Fall hättest,dann könntest du es gerademal für eine Statistik verwenden. Viel wichtiger ist es die vielen privaten Fachärzte und Klinikärzte auf seltene Krankheiten zu sensibilieren.
Wer nicht gerade in eine UNI-Klinik geht oder einen über den Tellerrand blickenden Arzt hat, ist schon verloren.
Die UNI-Frankfurt hat letztes Jahr innerhalb von 2 Tagen die Diagnose GPA gestellt und da war es schon 5 vor 12. Selbst 3 Kliniken und min 10 Ärzte
waren keine Hilfe (aus welchen Gründen auch immer).
Die Idee der Studentenklinik finde ich gut, jedoch das kommunizieren z. B.
seltene Krankheiten zu den privaten Ärzten etc., wäre viel wichtiger, als irgendeinen ungelösten Fall in den Vordergrund zu stellen (die Suche nach der Nadel im Heuhaufen).

mfg Bernd

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Bei mir war es übrigens keine Uniklinik, sondern das ganz normale Rote Kreuzkrankenhaus in Kassel. Ich kann nur den Hut ziehen vor dem Ärzteteam!
Ich weiß noch wie sie von Bluttransfusion und Uniklinik gesprochen haben. Aber sie haben es nach vielem Suchen gefunden! Ich kann ihnen nur DANKEN, wer weiß wie es sonst ausgegangen wäre. Gerade die verschiedenen Formen der Vaskulitis.
Mfg Heidi