Foto: Uwe Umstätter/Westend61/plainpicture
Kein Muttertagsgeschenk
Voll daneben: Muttertagsgeschenke, die Eindruck machen sollen!
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
02.05.2016

Das wird eine Überraschung geben am Muttertag. „Ich schenk dir etwas, das so viel kann wie du“, werde ich zu meiner Mutter sagen und ihr in einem schneeweißen Pappkarton einen funkelnagelneuen Tablet-Computer der Generation Pro überreichen. Ich habe ihn gekauft, weil mich die Computerfirma geködert hat mit dem Slogan: „Schenk Mama etwas, das so viel kann wie sie.“

###autor### „Ach, Kind“, wird meine Mutter sagen, „hat er auch so viele Probleme mit den Knien wie ich? Kann er auch so schlecht schlafen? Braucht er auch so lange zum Einkaufen? Vergisst er wie ich Namen und Jahreszahlen? Und schmerzen ihm die Hände beim Klavierspielen so wie mir?“

„Das weiß ich nicht“, werde ich sagen. „Er kann so viel wie du.“

Das ist ganz schön viel: Mütter können zuhören und telefonieren. Sie können Rezepte. Sie können von Krieg und Frieden erzählen. Sie können Geld verschenken und vererben. Sie können Spiegel, Fokus und chrismon lesen, singen und Klavier spielen. Sie können über die Geschichte und den Zerfall Jugoslawiens erzählen, die Sehenswürdigkeiten Roms aufzählen, die Berge der Dolomiten. Sie berichten aus vierzig Jahren Chorsingen und Orgelspiel, aus Theater- und Konzertbesuchen. Über Debatten mit Handwerkern und Nachbarn. Ungereimtheiten im Vatikan, politische Hetze der AfD. Und sie können ihre Kinder bestaunen, mit Komplimenten glücklich machen. Und über Nonsens lachen.

Ich weiß nicht, welche Kindheit und welche Mütter die Apple-Werber erlebt haben. Knopf an, Knopf aus. Ton an, Ton aus. Lange Akkulaufzeit, geringes Gewicht? Ein Traumbild von einer Mutter.

Zur Abrundung gibt es noch was drauf. Nein, nicht, was schon letztes Jahr Jochen Schweizer vorschlug. Sein Geschenktipp: „Car Crashing mit dem Panzer in Fürstenau“. Das stand auf seiner Homepage unter dem Stichwort „Bügeln“ – es geht ja um Mutti! Man sieht einen Panzer, der einen blauen Pkw überrollt. Wo um Himmels willen ist da „Supermutti“? Im Panzer, im Pkw? Kommt sie, mit ihren Gelenken, überhaupt da rein beziehungsweise rechtzeitig raus? Diese Art zu bügeln dürfte ihr fremd bleiben. Und das Geschenk kommt aus einem einfachen Grund nicht infrage: Es ist zu groß. „Ich hab schon alles. Ich brauche nix mehr“, würde sie sagen.

Lieber so was Kleines wie das von Nivea: „Verschenken Sie zum Muttertag Glücksmomente!“ Die bestehen aus einem Eau de Toilette und einer Anti-Aging-Creme. Das erste verbreitet den „Duft der Geborgenheit“, die zweite vertreibt Falten. Geborgenheit, Glück, glatte Haut: Was sollte denn daran falsch sein?

Gerade habe ich noch was gefunden: ein kreisrundes Muttertagssitzkissen! Es sieht aus wie eine Orangenscheibe, stammt aus einem Designladen. Ich sehe meine Mutter im Bild vor mir: vergnügt auf einer Orangenscheibe sitzend, sich gründlich beduftend, in der Hand ein nagelneues Tablet. Und sie fragt dieses Tablet freudestrahlend: „Sag mal, Tablet, was kann ich eigentlich alles?“ „So viel wie ich“, sagt das Tablet. Es ist der Beginn einer wunderschönen, etwas irritierenden Freundschaft.

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