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Bewertung
Der Weg in die Lukasgemeinde in Gießen führt an einem Kanal entlang, rechts und links prachtvolle Gründerzeitvillen. Der Eingang ist unscheinbar. Über einen Vorraum, in dem Tische fürs Kirchcafé eingedeckt sind, gelangt man in den länglichen Kirchsaal mit halbkreisförmiger Apsis. Durch ein breites Fensterband unter der Decke fällt bunt gefärbtes Tageslicht herein. Etwa 50 Leute sind gekommen, einige Familien. Kinderkirche ist angekündigt, Extraprogramm für die Kleinen.
„Dein Wort sei meines Fußes Leuchte“, lautet der Wochenspruch. „Heute ist Gotteswort-Sonntag“, sagt Pfarrer Andreas Günther. Nach dem Kollektengebet ziehen die Kinder aus. Der Mann im Talar beugt sich zu einem kleinen Mädchen und hilft ihr, die Kerze für die Kinderkirche an der Osterkerze zu entzünden. Eine schöne Geste.
Eine Konfirmandin liest das Gleichnis vom Sämann (Lukas 8,4–8), die Gemeinde antwortet mit dem Choral „Tut mir auf die schöne Pforte“. Zwischen den ersten und den letzten drei Strophen trägt eine Lektorin vor, wie Jesus das Gleichnis auslegt (Lukas 8,9–15). Überhaupt lässt Günther jeden Choral komplett durchsingen. Das passt zum Thema des Sonntags: das Gotteswort.
Der Ortsfremde fühlt sich wohl
„Worte leben davon, dass sie ausgesprochen werden“, beginnt Pfarrer Günther seine Predigt. Was folgt, wirkt leider nicht allzu lebendig. Man erfährt: Worte trösten, sie verändern Menschen, sie bewahren sie davor, sich absolut zu setzen. Gottes Wort soll eine Richtschnur für das Handeln sein, es trennt wie ein Schwert („auch wenn mir das Wort nicht gefällt“) zwischen aufbauenden und zerstörenden Worten. Stimmt ja alles, aber Günther bleibt abstrakt. Besser wären Beispiele, was genau er meint.
Das Abendmahl verbinde uns mit Menschen in aller Welt. Auch richtig. Nur: Warum misstrauen wir dann den Fremden? Kritischen Fragen geht Günther nicht nach. Auch ein Kernsatz, den man mitnehmen und bedenken könnte, fehlt. Eine kleine Provokation täte es ja auch.
Dafür wird es umso schöner beim Abendmahl. Pfarrer Günther singt die Liturgie mit kräftigem, klarem Tenor. Das Lobgebet spricht er frei – vorbildlich! Die Kinder kommen hinzu und stellen sich mit in den Halbkreis. Und der ortsfremde Kirchgänger fühlt sich gleich wohl unter all den freundlich lächelnden Menschen.
„Am nächsten Sonntag ist Karnevalssonntag“, kündigt Günther zum Schluss an, „muss man da verkleidet kommen?“ – „Kann man, muss man nicht“, ruft jemand von hinten. Und dann spricht der Pfarrer den Segen.
Zur Gemeinde
Lukasgemeinde Gießen
Liebigstraße 66,
35392 Gießen
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