chrismon: Seit 1990 sind die Emissionen an Treibhausgasen um mehr als 30 Prozent gestiegen. Warum glauben Sie, dass der mittlerweile 21. Klimagipfel etwas bringen wird?
Cornelia Füllkrug-Weitzel: Der Gipfel hat schon deshalb einen Sinn, weil die ärmsten Staaten, die bereits unter dem Klimawandel leiden, kein anderes Forum auf der Welt haben. Die reichen Staaten müssen sich in Paris anhören, welches Problem sie verursacht haben. Auch inhaltlich habe ich Hoffnung.
Warum?
Weil sich alle Staaten verbindlich auf ein Klimaschutzabkommen verpflichten wollen. Das Kyoto-Protokoll von 1997 umfasste nur die Industrieländer. Inzwischen haben Schwellenländer wie China oder Brasilien ihren Energieverbrauch aber derart erhöht, dass sich Industriestaaten wie die EU-Mitglieder zu keinen Anstrengungen überreden lassen, wenn nicht gleichzeitig die Schwellenländer ihre Verantwortung erkennen. Und für die armen Länder ist Klimaschutz unglaubwürdig, wenn sie nicht sehen, dass alle anderen vorangehen. 2009 hatte man sich in Kopenhagen zwar darauf geeinigt, die Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen – es wurde aber darum gestritten, wer wie viel dafür tun muss. Das Treffen scheiterte. Diese Gefahr sehe ich in Paris nicht, weil die Staaten ihre Reduktionsziele schon jetzt genannt haben – zwar nur auf freiwilliger Basis, die Ziele werden also nicht im Abkommen verankert, was völkerrechtlich bindend wäre. Aber die Regierungen müssen sich an ihren Zusagen messen lassen.
Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, würde mit den bisher angekündigten Einsparungen aber verfehlt!
Wir landeten damit bei 2,7 Grad Erderwärmung – das ist erschreckend zu viel! Aber genau diese Transparenz schafft Druck, noch mehr zu tun, um den Zwei-Grad-Pfad nicht zu verlassen. Europa hat eine große Verantwortung. Leider schafft es die Bundesregierung trotz angekündigter Energiewende nicht, aus der Braunkohle auszusteigen. Das kostet viel Glaubwürdigkeit.
Welche Möglichkeiten haben Organisationen wie „Brot für die Welt“, auf die Verhandlungen einzuwirken?
###drp|JIxvqZoM_JhaLD0rxSVzVsQU00117695|i-40||###Mehr zum Thema Klimapilgern finden Sie auf unserer Schwerpunktseite: chrismon.de/klimapilgern
Wir analysieren den Prozess für die Öffentlichkeit, das schafft Druck, kein Staat will ein schlechte Presse haben. Noch ein Beispiel: Die beiden Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon haben die „ACT Alliance“ ermutigt: Wir seien die Einzigen, die das Thema „Loss and Damage“ auf die Tagesordnung gebracht hätten.
„Loss and Damage“ – was ist damit gemeint?
Die Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten. Es gibt Menschen, die Opfer von Klimaschäden werden, die Verluste erleiden. Es geht um technische Unterstützung, um die Klärung von Umsiedlungsprozessen – und um die Frage, wer dafür die finanziellen Mittel bereitstellt. Das Thema ist für die Verursacher des Klimawandels tabu, aber sie können sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sie müssen helfen!
Neben der „Loss and Damage“-Frage brauchen arme Länder Hilfe, um sich den Folgen der Erderwärmung anzupassen – etwa durch höhere Deiche oder dürreresistente Getreidesorten. Dafür haben die Industrienationen 100 Milliarden Dollar bis 2020 zugesagt. 70 Milliarden fehlen noch.
Am Ende sagt die westliche Öffentlichkeit: „Prima! Wenn wir uns anpassen können – dann brauchen wir nicht verzichten!“
Das ist eine Milchmädchenrechnung. Wenn wir so weitermachen, bleibt es nicht bei 2,7 Grad. Teile unserer Welt würden unbewohnbar werden. Spätestens dann trifft es auch uns, die wir von den Ressourcen aller Länder leben. Es gibt keine beliebigen Anpassungsmaßnahmen, auch in den reichen Staaten nicht – der Klimawandel entzieht allen Menschen die Lebensbasis.
Muss Klimaschutz Teil der Flüchtlingspolitik werden?
Ja! Die UNO rechnet mit bis zu einer Milliarde Flüchtlinge im Jahr 2050, weil Menschen keine Zukunft in ihrer Heimat haben. Die Vorboten sind unübersehbar: Vor 1980 gab es in Äthiopien alle zehn Jahre eine große Dürre – nun alle zwei bis drei Jahre.