Oma Lieschen war eine gute Katholikin, und immer wenn sie betete, erzählt mein Vater, schaute sie dieses Kruzifix an, dunkelbraunes Holz, so lang wie ein Blatt Papier, darauf ein Jesus in Messing. Sie hatte es nach dem Zweiten Weltkrieg gekauft, es hing in ihrem Schlafzimmer. Oma Lieschen war meine Uroma; eigentlich hieß sie Elisabeth, aber weil sie nicht einmal 1,40 Meter groß war, nannten alle sie Lieschen.
Was das Kruzifix wohl alles gehört hat? Schmerzvolles. Lieschen hat zwei Weltkriege erlebt, war früh verwitwet, ist aus Schlesien geflohen, hat ihren Sohn im Krieg verloren.
Es gab aber auch Schönes in ihrem Leben. Der gelungene Neuanfang im Ruhrgebiet mit Tochter und Schwiegersohn. Die Enkelkinder, um die sie sich gekümmert hat. Oma Lieschen betete nicht nur gern und oft, sie war auch abergläubisch. Warzen versuchte sie wegzuhexen: „Do eene, do keene“, murmelte sie dann und zeigte abwechselnd auf die Warze und den Vollmond. So erzählt es mein Vater.
Storify "Irgendwie heilig"
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