Thomas Meyer/Ostkreuz
Fromm sein und Attentäter sein – das passt nicht zusammen. Ernsthafter Glaube ist eine starke humanitäre Kraft
Thomas Meyer/Ostkreuz
24.02.2015

Macht es eigentlich einen Unterschied, ob Terror religiös begründet ist oder nicht? Ja und nein. Nein, es macht keinen Unterschied für die Männer, die ihr Leben durch Terror verlieren. Es macht keinen Unterschied für die Frauen, die sexueller Gewalt ausgeliefert sind. Es macht keinen Unterschied für die Kinder, die trauma­tisiert sind und ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden, was sie gesehen haben. Das Leid, das sie erfahren, ist unabhängig von den Motiven der Täter. Die Absurdität der Berufung auf Gott beim Quälen tritt für die Opfer hinter die Qualen selbst zurück.

Bei uns anderen ist es nicht so – jedenfalls wenn wir an Gott glauben. Bei uns, die wir die Gewaltausbrüche fassungslos und auch mit einem Gefühl der Ohnmacht verfolgen, macht es sehr wohl einen Unterschied. Denn für jeden, der an Gott glaubt, ist es eine bedrängende Frage: Wie kann jemand sich ernsthaft auf Gott berufen, wenn er Menschen brutal quält oder sogar tötet?

Auch wenn auf der Hand liegt, dass ­Religion immer wieder politisch instrumentalisiert wird und ganz anders motivierter Hass ein religiöses Mäntelchen umgehängt bekommt: Es muss uns doch verunsichern, wenn Menschen erst in ihrem Gotteshaus inbrünstig beten, um dann draußen fanatische Hassreden gegenüber anderen Menschengruppen zu halten. Haben am Ende doch die recht, die sagen, dass Religion den Keim zur Gewalt in sich trägt?

Es lässt sich ja gar nicht bestreiten, dass in allen heiligen Schriften der drei großen monotheistischen Religionen Texte enthalten sind, in denen von Gewalt im Namen Gottes die Rede ist. Solche Texte sind es, auf die sich fanatisierte Gewalttäter berufen. ­
Es wäre indessen ein trauriger Sieg der Barbarei, wenn es ihnen gelänge, damit Religion an sich zu diskreditieren. Unzählige Menschen unterschiedlichen religiösen Hintergrunds weltweit zeigen, wie Religion zu einer mächtigen und nachhaltigen Kraft der Humanität wird.

Hass und Gewalt werden nicht das letzte Wort haben

###autor###Wie könnte es auch anders sein, als dass der Glaube an den Gott, der die Welt geschaffen hat, dazu führt, dass wir diese Welt und die Geschöpfe, die in ihr leben, in ihrem Wert wahrnehmen, sie lieben oder zumindest achten? Wie könnte jemand, der wirklich an diesen Gott glaubt, dessen Geschöpfe missachten oder sogar Vernichtungsorgien gegen sie in Gang setzen? Der Glaube an Gott ist eine Kraft der Humanität, weil er ausschließt, dass Menschen einfach ausgelöscht werden dürfen. Ein Gott, der so etwas wollen würde, würde sich selbst dementieren. Nein – wenn wir es ernst meinen mit dem Bekenntnis zu dem Gott, der uns alle geschaffen hat, dann ­wissen wir auch, dass dieser Gott um uns ringt und uns helfen will, zu werden, was wir schon sind: Gottes gute Geschöpfe.

Jede religiöse Tradition hat die Auf­gabe, die Kraftquellen der Humanität freizulegen, die ihr innewohnen. Christen gedenken am Karfreitag des Leidens Jesu Christi am Kreuz. Der Mensch, in dem Gott auf Erden sichtbar geworden ist, stirbt als Folteropfer. Gott leidet mit allen Leidenden dieser Welt. Eindeutiger könnte der Protest gegen alle Gewalt nicht sein.

Dass der Karfreitag in unserem Land ein  Feiertag ist, hat auch darin seinen guten Sinn. Er ist jenseits der religiösen Grenzen ein Tag des Innehaltens und Mitleidens mit den Opfern von Gewalt überall auf der Welt. Das Osterfest, das dem Karfreitag folgt und an dem wir die Auferstehung Jesu Christi feiern, bringt die große Hoffnung zum Ausdruck, dass Hass, Gewalt und Tod am Ende nicht das letzte Wort haben werden. Die Erfahrung des Terrors zeigt: Selten haben wir die Besinnung auf Karfreitag und Ostern so dringend gebraucht wie heute.
 

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