Protestler haben die sechsspurige Harcourt Raod im Zentrum von Hongkong seit Tagen lahmgelegt. Die Szene hat etwas von Volksfest und Flüchtlingslager. Man kann gemeinsam mit Sympathisanten und anderen Schaulustigen die Straße entlangspazieren, vorbei an sitzenden und liegenden Demonstranten, windschiefen Igluzelten, Erste-Hilfe-Stationen, Toilettenschildern. Einige Leute verteilen Wasserflaschen und Essen, andere sammeln Müll in schwarze Abfalltüten. Anlass der Proteste: 2017 können die Bewohner Hongkongs erstmals ihren Verwaltungschef selbst wählen, allerdings will die Regierung in Peking dafür die Kandidaten bestimmen. Die Demonstranten – unter ihnen viele Studenten – fordern stattdessen echte freie Wahlen.
Viele Aktivisten haben sich Pflaster mit Kühlgel auf die Stirn geklebt. Die Polizei hat vor kurzem mit Tränengas- und Pfefferspray versucht, die Demonstranten zu verjagen. Von Zorn oder Verbissenheit ist bei den Aktivisten allerdings nichts zu spüren. Eher stille, freundliche Entschlossenheit, die Freude an diesem Gemeinschaftserlebnis und das Bedürfnis, als wohlerzogen wahrgenommen zu werden. Es werden gelbe Schleifen verteilt, das Symbol des Protestes. Ganz vereinzelt finden sich solche in den folgenden Tagen im Stadtbild wieder. Nicht von der Hand zu weisen sind allerdings Befürchtungen, dass es zu extremeren Gewalttätigkeiten kommt. Gegenwärtig kann keiner wirklich sagen, was kommt. Der Verwaltungschef hat den Abbau der Barrikaden gefordert.
Es sind Tausende, die auf der Harcourt Road und auch anderswo in Hongkong campieren. Doch es scheint, dass selbst ein solcher Proteststurm den allergrößten Teil der Stadt und ihrer Einwohner überhaupt nicht zu tangieren vermag. Außerhalb der besetzten Zonen sind keine Auswirkungen spürbar, außer dass die altertümliche Doppelstock-Straßenbahn nicht mehr fährt. Ich mache mich auf zur U-Bahn. In der belebten, riesigen Station „Central“ bekommt man nichts von dem mit, was sich 20 Meter darüber abspielt.
Foto: Topping/Polaris/laif
Demo ohne Widerhall?
Die deutsche Lehrerin Cornelia Kühne-Hellmessen mit einer E-Mail aus Hongkong
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