Trost im jüngsten Tag
Das Meer brennt, Tiere verenden in großer Zahl. Biblische Autoren haben solche Szenarien fantasievoll beschrieben. Die Schilderung einer Welt am Abgrund hat ihren Sinn
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
07.10.2010

Der große Tag kündigt sich durch gewaltige Zeichen an. Engel stoßen in ihre Posaunen, und jedes Mal ereignen sich dramatische Unglücke: "Hagel und Feuer fielen, mit Blut vermischt, auf das Land. Es verbrannte ein Drittel des Landes, ein Drittel der Bäume und alles grüne Gras." - "Da wurde etwas, das einem großen brennenden Berg glich, ins Meer geworfen. Ein Drittel des Meeres wurde zu Blut. Und ein Drittel der Geschöpfe, die im Meer leben, kam um..."(Offenbarung des Johannes, Kapitel 8).

Das Meer brennt auch im Golf von Mexiko. Nach der Explosion der Ölbohrinsel Deepwater Horizon im April 2010 strömten Unmengen von Öl ins Meer, Ölkonzern und Regierung sind weitgehend hilflos und kämpfen doch mit allen Mitteln gegen die drohende Vernichtung eines ganzen Lebensraums. Wenn etwas wie eine Apokalypse erscheint, dann das. Doch stimmt der Begriff in diesem Zusammenhang?

Apokalypse bedeutet nicht Untergang, sondern Enthüllung. Es ist das erste Wort der "Offenbarung des Johannes", eines Buches des Neuen Testaments. Apokalypsen enthalten ein ganzes Weltbild. Ihre Kennzeichen: Ein Weiser enthüllt, was er in Visionen oder Träumen oder Himmelsreisen zuvor erfahren hat: wie die alte Welt vergeht und eine neue entsteht.

Die Erlösung geschieht durch eine Katastrophe

In der Bibel gehört zu dieser literarischen Gattung auch das alttestamentliche Buch Daniel, außerhalb der Bibel etliche andere. In ihrem Zentrum: die Schilderung einer untergehenden Welt, der Endzeit. Da kann es um einen Endkampf zwischen Gut und Böse gehen, um Katastrophen wie Erdbeben und Fluten, um schwere soziale Unruhen, blutrünstige Herrscher, Epidemien, Hungersnöte. Es gibt Beschreibungen von gewaltigen Tieren und Ankündigungen eines Weltgerichts. Im Vergleich zu den biblischen Büchern sind die außerbiblischen noch viel fantasievoller.

Zur Enthüllung gehört auch das Öffnen von sieben Siegeln: Diese auch sprichwörtliche Formulierung bezieht sich auf das fünfte bis achte Kapitel dieser "Offenbarung des Johannes", in denen beschrieben ist, wie das Lamm Gottes, Sinnbild für Jesus Christus, aus der Hand eines Herrschers das versiegelte Buch erhält, nach und nach alle Siegel bricht und dadurch die Apokalypse auslöst. Apokalyptische Reiter werden auf die Erde losgelassen, die Seelen der Märtyrer verlangen Vergeltung für ihren Tod. Die Erde bebt und wird zu einem Flammenmeer. Die Sonne färbt sich schwarz, der Mond wird wie Blut, Sterne fallen auf die Erde. All dies sind Zeichen des Weltuntergangs, aber auch der Rettung der Gerechten.

Die Welt geht unter, aber sie entsteht ganz neu. Da ist kein Platz mehr für Fortschrittsoptimismus, für einen gleitenden Übergang, sondern nur für einen radikalen Bruch. Die Erlösung geschieht durch eine Katastrophe.

Mit der Auferweckung Jesu beginne die Endzeit, hieß es

Solche Literatur hat eine klare Funktion: Sie soll Menschen in Zeiten schwerer religiöser und politischer Krisen trösten. Das biblische Buch Daniel entstand, nachdem der seleukidische König Antiochus IV., der die Juden unterdrückte, im Jahr 167 vor Christus auch noch den Jerusalemer Tempel geschändet hatte - für das Volk Israel eine unglaubliche Katastrophe. Ähnlich verhält es sich beim außerbiblischen 4. Buch Esra: Es entstand nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 nach Christus.

Wann kommt die Apokalypse? Dann, wenn die Krise am stärksten ist. Im Christentum löste der Glaube an die Auferstehung Jesu einen gewaltigen Schub an Zukunftshoffnungen aus: Mit der Auferweckung Jesu hatte die Endzeit begonnen, die alten Mächte hatten ihre Macht verloren, das zukünftige Heil schien mit Händen zu greifen. Apokalyptische Erwartungen haben in der Kirchengeschichte zu allen Zeiten eine Rolle gespielt, vor allem in Krisenzeiten. Joachim von Fiore, süditalienischer Ordensmann des 12. Jahrhunderts, kündigte eine blutige Auseinandersetzung mit Häretikern an, die Täufer in Münster wollten um 1530 mit Gewalt ein apokalyptisches Reich errichten. Heute schwebt noch den Siebenten-Tags-Adventisten ein ganz realer Weltuntergang vor.

Naturkatastrophen, technische Katastrophen, Verbrechen im großen Stil lassen apokalyptische Bilder vor dem inneren Auge erscheinen. Man möchte gern glauben, dass es nur Zeichen einer Krise sind, die sich überwinden lässt, nicht "am Ende der Tage", sondern möglichst bald.

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