chrismon: Ihrer Studie zufolge sind immer mehr Alleinerziehende arm, obwohl immer mehr von ihnen arbeiten. Wie kommt das?
Anne Lenze: In den letzten zehn Jahren hat sich die Lage für Alleinerziehende stark verschlechtert: Alleinerziehende, die wenig verdienen, zahlen inzwischen praktisch genau so viel Steuern wie Singles. Zweitens haben Alleinerziehende normalerweise keinen Anspruch mehr, selbst Unterhalt vom Expartner zu bekommen, wenn das Kind älter als drei Jahre ist. Drittens erhält nur die Hälfte der betroffenen Kinder Unterhalt in vereinbarter Höhe. Manchmal springt der Staat ein, verrechnet dann aber das Kindergeld vollständig mit dem Unterhalt.
Wie kommt es, dass sich die Lage in kurzer Zeit so sehr verschlechtert hat?
Die Berechnungen sind so kompliziert, dass einfach niemand gesehen hat, was die Reformen zusammengenommen bewirken.
Sie sagen, nur die Hälfte der Kinder erhält den vereinbarten Unterhalt. Warum gibt es keine härteren Sanktionen, wenn jemand nicht zahlt?
Auch wenn der Expartner zahlt: Oft reicht der vom Gericht festgesetzte Unterhalt für das Kind kaum aus, um das Existenzminimum zu decken. Ich vermute, dass Richter oft so entscheiden, weil der Betroffene sowieso nicht mehr bezahlen könnte. Aber das müsste man noch genauer erforschen. Wenn der Betroffene nicht einmal diesen Betrag zahlt, kommt es selten zu Sanktionen, weil die Kommunen das Geld eintreiben müssten. Und für die lohnt es sich nicht, ausreichend Manpower in die Verfolgung von Unterhaltsverpflichteten zu stecken – denn das meiste Geld fließt an Bund und Länder.
Was schlagen Sie vor?
Nur in Krippen und Kitas zu investieren reicht längst nicht. Alleinerziehenden muss mehr Geld zum Leben bleiben. Da sie eine relativ kleine Gruppe sind, aber die Hälfte aller Kinder mit Hartz-IV-Bezug so aufwächst, könnte das die Kinderarmut stark reduzieren.