In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Ich mag den Morgen, wenn alle Sinne frisch sind. Ich mag das Licht, dann sehe ich die Farben, wie sie wirklich sind, über den Tag verändern sie sich. Beim Malen fühle ich mich lebendig. Man kreiert ja auf der Leinwand ein neues Leben, eine neue Realität. Das kommt sehr aus der Tiefe, das ist ein sehr intensiver Prozess. Ich spüre dann kaum Hunger; und wären andere Menschen im Raum, könnte es passieren, dass ich sie gar nicht wahrnehme.
Mir fehlt niemand, ich brauche dann niemanden.
Was können Erwachsene von Kindern lernen?
Sie planen nicht, sie möchten alles sofort. Wenn Kinder etwas wollen, dann wollen sie es jetzt. Wir Erwachsenen denken, wir hätten so viel Zeit. Ich glaube, das ist ein Fehler. Es wäre sicher auch ein großes Geschenk, noch einmal durch Kinderaugen die Welt sehen zu können – das erste Mal das Meer zu sehen und zu staunen, wie unglaublich groß es ist. Alles, was ein Kind umgibt, ist so spannend, so voller Wunder. Und träumen, ich glaube, das ist eine der schönsten Sachen, die Kinder tun können.
Oda Jaune
Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
Ich bin in Bulgarien aufgewachsen. Uns war es verboten, an Gott zu glauben. Das ist natürlich die beste Voraussetzung dafür, dass man an ihn glaubt und ihn liebt. Das ist bei mir geblieben. Und auch das Gefühl, dass alles so faszinierend ist: die Natur, wir selbst. Ich vermute, auch wenn man nur für ein paar Minuten
leben würde, nur um das Licht zu sehen – dann hätte es sich schon gelohnt. Ich habe eine große Liebe für das Leben. Ich komme aus dem Staunen nicht raus, wie wahnsinnig schön diese Welt ist. Das macht auch meinen Glauben stärker.
Hat das Leben einen Sinn?
Man ist frei, welchen Sinn man sieht; jeder sucht einen anderen. Es reicht ja schon, wenn man einfach einen anderen Menschen glücklich macht, das reicht absolut. Ich persönlich habe mich entschlossen, eine Sache extrem zu machen, und das ist die Malerei. Aber ich bin eben nicht nur Malerin. Gleichzeitig bin ich auch Kind, Mutter, Mensch und vieles mehr. Deswegen könnte ich nicht sagen: Dies oder das ist mein Sinn. Ob es in meinem Leben Phasen gab, in denen ich keinen Sinn empfunden habe? Nein, das habe ich nie gehabt. Wenn es Herausforderungen gibt, dann spürt man auch das Leben sehr stark. Ich glaube, dass ich noch nie die Augen zugemacht habe. Ich bin noch nie geflüchtet. Ich fliehe nicht.
Muss man den Tod fürchten?
Male ich, fürchte ich den Tod nicht; die Malerei nimmt mir die Angst vor dem Sterben. Ich finde ohnehin, dass man nicht gierig sein sollte; man sollte nicht versuchen, 200 Jahre zu leben. Das finde ich nicht so stilvoll. Ich habe aber eine wahnsinnige Angst um die anderen: Jemanden zu verlieren, das ist das Schlimmste, was es gibt.
"Ich bin fast überall glücklich. Das ist meine Natur"
Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?
Ich möchte ein Bild malen, über das ich extrem glücklich bin, wenn es fertig ist. Das wäre schön. Jedes Mal, wenn ich anfange, denke ich: Dies könnte das Bild sein. Das ist die Sehnsucht, das ist der Traum, jedes Mal. Und dann klappt es doch wieder nicht. Aber ich weiß, dass ich absolut ehrlich zu mir war und dass ich es wirklich versucht habe. Ich gebe nicht auf, ich werfe kein Bild weg. Gefällt mir etwas nicht, übermale ich es wieder und wieder – bis das Bild fertig ist.
Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?
Ich bin sehr anfällig dafür und versuche, gleich etwas Gutes zu machen. Dann denke ich zwar, es ist nicht genug, aber trotzdem versuche ich, sofort einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung zu machen, damit ich dieses Schuldgefühl neutralisiere. Das ist mein Rezept.
Was ist Glück?
Es ist hell, es ist rund, es ist warm. Es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, das ich sehr häufig habe. Ich bin fast überall glücklich. Ich glaube, das ist meine Natur. All diese Sachen zu sehen, allein den Himmel zu betrachten. Heute ist sein Blau anders als morgen, es ist nie dasselbe. Man muss doch glücklich darüber sein, wenn man das Augenlicht hat – wenn man gesund ist. Man muss das Glück einfach wahrnehmen