Der erste Spielfilm, der in Saudi-Arabien je gedreht wurde – und das von einer Frau
30.08.2013

Ihr Kopftuch flattert munter im Wind. Zu munter, findet die Rektorin. Wadjda soll am nächsten Tag ordentlich verschleiert zur Schule kommen. Die Zehnjährige, die mit Vater und Mutter in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad wohnt, ist ein bisschen auffällig. Unter ihrem schwarzen Gewand blitzen lilafarbene „Converse“-Turnschuhe hervor, sie stellt viele Fragen und hat einen enormen Bewegungsdrang. Aber der wird beständig ausgebremst. Unter dem Regime der Wahhabiten, die den Islam extrem streng auslegen, führen Frauen ein Leben zweiter Klasse: möglichst unsichtbar in der Öffentlichkeit, beschränkt in der Berufswahl, beständig kontrolliert von Vätern, Ehemännern – und sogar von anderen Frauen. Das poppige Fahrrad, das Wadjda in einem Spielzeugladen gesehen hat, wird zum Versprechen auf eine bessere Zukunft. Um das Geld dafür zu erwirtschaften, nimmt das Mädchen an einem Schulwettbewerb teil, für den sie die Verse des Korans auswendig lernen muss.

Kinos gibt es in Saudi-Arabien seit den siebziger Jahren nicht mehr, Filme werden kaum produziert. Haifaa Al Mansour ist die erste Regisseurin, die einen Spielfilm im Land drehen konnte. Was nicht ganz einfach war: Trotz offizieller Unterstützung durfte sie sich bei der Arbeit auf der Straße nicht von der Religionspolizei erwischen lassen. Umso erstaunlicher ist es, wie präzise Al Mansour das Leben der Frauen in Riad nachzeichnet. Wie im Vorbeigehen entwirft sie einprägsame Porträts: Da ist Wadjdas Mutter, deren Schönheit und Sanftheit den Vater nicht daran hindern, eine zweite Frau zu nehmen. Da ist die Schulleiterin, die Highheels trägt und möglicherweise einen Liebhaber hat, ihre Mädchen aber zum Konformismus anhält. Und natürlich ist da die umtriebige jugendliche Heldin, die inmitten eines mittelalterlichen Systems den Aufbruch in die Moderne versucht: Praktisch im Alleingang zieht „Das Mädchen Wadjda“ den Schleier von einem Land, über das wir im Westen immer noch viel zu wenig wissen.

Haifaa Al Mansour ist die erste Filmemacherin Saudi-Arabiens. Sie studierte Film an der amerikanischen Uni-versität in Kairo und Filmwissenschaft und Regie an der Universität Sydney. Nach drei Kurzfilmen drehte sie 2005 die Dokumentation Women Without Shadows. „Ich bin sehr stolz darauf, den ersten Spielfilm gedreht zu haben, der komplett in Saudi-Arabien reali-siert wurde. Ich stamme aus einer kleinen Stadt, in der viele Mädchen wie Wadjda leben. Mädchen, die große Träume haben, einen starken Charakter besitzen und viel Potential besitzen. Diese Mädchen können – und werden – unsere Gesellschaft umbauen und neu definieren.

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Produktion: Razor Film, Roman Paul, Gerhard Meixner, Saudi-Arabien, Deutschland 2012; Regie und Buch: Haifaa Al Mansour; Kamera: ; Lutz Reitemeier; Schnitt: Andreas Wodraschke; Musik: Max Richter; Darsteller: Reem Abdullah (Mutter), Waad Mohammed (Wadjda), Abdullrahman Al Gohani (Abdullah), Direktorin Hussa (Ahd), Sultan Al Assaf (Vater) u.a.; Format: Farbe, Di-gital, 97 Min. Kinostart: 5. September 2013.