Sergei Karpukhin/Reuters
22.08.2013

Nie haben die Kinder im Kindergottesdienst sich dafür interessiert, von welchem Flughafen Moskaus es in die Ferien geht. Zu Ferienbeginn hörte ich, wie sie sich genau darüber unterhielten. „Sheremetjewo“, „Vnukowo“ oder „Domodedowo“, schallte es durch den Raum.

„Wir fliegen von Vnukowo“, sagte ich zu unseren Kindern, die davon sichtlich enttäuscht waren. Wieso? Sie wollten von Sheremetjewo fliegen, vielleicht könnten sie dort Edward Snowden begegnen! Dem Mann, der den NSA-Skandal öffentlich machte. Die Kinder wollten sogar die Nachrichten sehen, um informiert zu sein.

Auch andere Kinder interessierte der Agentenfall – das merkte ich schon bei den Grundschülern der Deutschen Schule in Moskau. So ganz genau konnte keiner  begründen warum, aber die Kinder waren fasziniert vom Fall Snowden.

Da kommt einiges zusammen: Die Frage, welchen Wert Geheimnisse haben, wie aus einem Geheimnisträger ein Ver­räter wird – und was ist ein schlechter, was ist ein guter Agent? Wem gegenüber ist er verpflichtet?

Anfang des Jahres haben einige dieser deutschen Kinder noch am eigenen Leib gespürt, was es bedeuten kann, zu einer „Agentenfamilie“ zu gehören. Viele bangten um ihr Visum, weil der Arbeitsplatz der Eltern aus russischer Sicht plötzlich verdächtig wurde, quasi in den Bereich der ausländischen „Agententätigkeit“ fiel. In politischen Stiftungen, wissenschaft­lichen Einrichtungen und Forschungsabteilungen wurden Büros durchsucht. Wer ein Visum wollte, musste  zu immer mehr Behörden gehen und immer neue Formulare ausfüllen. Ich spürte den Druck, den der ungewisse Status der betreffenden Familien verursachte.

Am Flughafen hätten wir Snowden nicht mehr treffen können, selbst wenn wir über Sheremetjewo geflogen wären – aber vielleicht einmal auf dem Roten Platz.

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