In der Ukraine grassiert die Tuberkulose. Schützen können sich nur die, die Geld haben, wie Pfarrfrau Charis Haska
04.03.2013

Vor kurzem rief mich eine Frau aus der Gemeinde an, weil sie Angst hatte, zum Abendmahl zu kommen. „Kann ich mich da nicht mit Tuberkulose anstecken?“, fragte sie zögernd. Sie ist kein Einzelfall. Viele Menschen fürchten diese Infektionskrankheit, die hier zurzeit grassiert, das merke ich immer wieder in unserer Kirchengemeinde St. Katharina.

Nach dem sonntäglichen Hauptgottesdienst bieten wir im Gemeindesaal ein Mittagessen an. Wenn Fremde dazukommen, denen man ihre Bedürftigkeit ansieht, fragen manche Gemeindemitglieder: „Sollten wir diese Leute nicht besser in einen separaten Raum setzen? Oder ihnen wenigstens Einmalgeschirr geben?“

In Kiew hängen große Plakate, die zum Beispiel eine Lunge zeigen, deren eine Hälfte durch dunkle Flecken verunstaltet ist. Dazu groß der Slogan: „Tuberku­lose ist heilbar.“ Das stimmt, aber viele ­können sich die Behandlung nicht leisten. Die ganze staatliche Gesundheits­versorgung der ­Sowjet­union ist nach der Wende weggebrochen. Kranke und Gebrechliche scheinen dem Staat ungelegen zu sein, deswegen investiert er kaum in das Gesundheits­system. Dementsprechend blüht die Korruption. Zum Beispiel ist es möglich, sich gefälschte Gesundheitszeugnisse einfach zu kaufen.

Mit Tuberkulose kann man sich fast überall anstecken. In der U-Bahn etwa, wenn jemand hustet. Besonders oft trifft es die Armen: Alte Menschen wühlen in Müllcontainern nach Lebensmitteln, weil ihre Rente nicht reicht. Halbwüchsige sammeln Zigarettenstummel von der Straße und rauchen diese auf. Kleinhändler stehen neben Tbc-infizierten Bettlern und verkaufen Kleidung und selbstgezogenes Gemüse.

Einige raten mir, gerade im Winter die öffentlichen Verkehrsmittel zu meiden. So bin ich froh, dass unsere Kinder von einem Fahrer mit dem Auto in die Schule gebracht werden. Eine Vorsichtsmaßnahme, die wir uns leisten  können – ein Großteil der Bevölkerung aber leider nicht. 

 

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