Acht Stunden dauert ein Direktflug von Berlin nach New York. Und New York – das sollte doch, bitteschön, der Maßstab sein für die deutsche Hauptstadt. So denkt man jedenfalls schnell als Gast, wenn man durch den Prenzlauer Markt flaniert, die Kastanienallee (im Volksmund „Casting“-Allee) entlang, wo die Kaffeesorten so weltmännisch klingen, dass man sich kaum traut, einfach nur einen Kaffee mit Milch zu bestellen.
Auch am 11. Juni gibt es Direktflüge von Berlin nach New York, Ankunft mit Air Berlin wäre dann auf dem Flughafen „JFK“, John F. Kennedy. Hach, „JFK“, wie das klingt, nach weiter Welt, nach Metropole! Nur wo der Abflug ist, am 11. Juni, das steht heute noch nicht so genau in den Suchmaschinen, mit denen man online nach Flügen suchen kann. In Tegel vielleicht. Sicher nicht in Tempelhof, den Flugplatz gibt es nicht mehr. Und ganz sicher hebt man auch nicht von „Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt“ aus ab.
Der Flughafen, dessen Name ja nun fast so sehr nach weiter Welt klingt wie „JFK“, hätte am 3. Juni den Betrieb aufnehmen sollen. Nur leider ist man mit dem Brandschutz nicht so weit, als dass der TÜV das alles noch hätte rechtzeitig abnehmen können.
Peinlich? Dieses Urteil ist zu schlicht.
Peinlich! Dieses Urteil ist so naheliegend wie nachvollziehbar – es ist aber irgendwie auch ganz schön schlicht. Es wird nicht den Leuten gerecht, die an diesem Riesenprojekt, das schon einmal verschoben werden musste (von Oktober auf Juni) mitarbeiten, und das in den meisten Fällen sicher auch nach Kräften. Es wird nicht den Leuten gerecht, die vom 3. Juni an auf dem Flughafen hätten arbeiten sollen. Es wird nicht den Ladenpächtern gerecht, die ihre Geschäfte in einem Monat hätten eröffnen wollen – und die ihre Leute schon eingestellt haben. Es wird nicht den Mitarbeitern bei Air Berlin und Lufthansa gerecht, die aufgrund schlechter Unternehmenszahlen ohnehin schon um ihre Jobs fürchten.
Das einzige, was an diesem Vorgang so richtig peinlich ist, ist der Zeitpunkt, zu dem der Aufschub verkündet wurde – es war nicht mal mehr einen Monat hin bis zur Freigabe des Flughafens; der gigantische Umzug von Tegel und dem alten Schönefelder Terminal war längst geplant.
Das wirft die Frage auf: Unter welchen Druck müssen Menschen stehen, dass sie sich nicht trauen, das Offenkundige rechtzeitig zu sagen – „tut uns leid, wir schaffen es nicht, Sicherheit geht vor!“ Und wer hat diesen Druck zugelassen, wer hat ihn aufgebaut? Waren das vielleicht auch die, die jetzt am lautesten "Peinlich!" schreien?
Das neue Mantra könnte lauten...
Jetzt hilft wohl nur Humor: Liebe Berliner, fliegt im Zweifel einfach später oder gar nicht nach New York, Berlin ist ja schließlich Metropole genug. Und den Kaffee an der Kastanienallee lasst Ihr Euch vielleicht mit diesem Mantra schmecken:
- Citytunnel Leipzig, geplante Eröffnung 2009 – immer noch im Bau!
- Elbphilharmonie Hamburg, geplante Kosten 77 Millionen Euro, es wird aber eine halbe Milliarde, und kein Mensch weiß, wann das Ding fertig wird!
- Stuttgart 21 - die fleißigen Schwaben, die beim neuen Bahnhof helfen könnten, sind doch alle längst hier!
- Die Erde, sieben Tage, aber das war auch Gott – und das ist eine andere Liga!