chrismon: Ich komme zufällig wo vorbei, wo gerade jemand niedergeschlagen worden ist oder ein Unfall war, Notarzt und Polizei sind schon verständigt. Ich bin medizinischer Laie, wie kann ich den Leuten trotzdem helfen?
Andreas Mann: Für die meisten Menschen ist der erste Schritt nicht: „Was kann ich für den anderen tun?“ Sie müssen zuerst eine Reihe von inneren Schwellen überwinden. Die Tendenz zu fliehen zum Beispiel, Distanz zwischen mich und dieses Geschehen zu bringen. Diese Angst muss ich wahrnehmen, dann entscheide ich vielleicht: Die Angst ist begründet, aber ich habe auch noch ein anderes Ziel, nämlich zu helfen. Aber was werde ich da sehen? Viele entwickeln in ihrer Fantasie viel schrecklichere Bilder, als sie dann tatsächlich sehen. Außerdem muss ich mit jemand Fremdem Kontakt aufnehmen, auch diese Angst kann blockieren. Und schließlich die Angst, etwas falsch zu machen. Viele Leute sind prinzipiell bereit, anderen beizustehen, wenn sie nur wüssten wie.
Ja eben: Wie kann ich als Laie helfen?
Nehmen Sie Kontakt auf, gehen Sie dazu auf Augenhöhe, wenn jemand sitzt oder liegt. „Ich bin Frau Sowieso, und wie heißen Sie?“ Ist jemand im Schockzustand und reagiert nicht, könnten Sie ihn an der Schulter anfassen. Die meisten Menschen empfinden eine Berührung an der Schulter, am Unterarm oder an der Hand nicht als zudringlich. Aber schauen Sie, wie das jemand aufnimmt. Und dann signalisieren Sie, dass Sie den Menschen weiter begleiten: „Ich bin jetzt hier, und ich bleibe eine Weile bei Ihnen.“
Am schlimmsten ist für die Notfallopfer, wenn sie alleingelassen werden
Das hilft schon?
Ja. Man hat frühere Notfallopfer gefragt, was sie als hilfreich empfanden und was nicht. Und als besonders bedrängend erlebten sie, wenn sie alleingelassen wurden. Eine Frau aus meinem Team hatte neulich selbst einen Verkehrsunfall, bei dem sie aus dem Auto rausgeschnitten werden musste, Verdacht auf schwerwiegende Verletzungen. Da war eine ungeheure Hektik, viel Aktion, viele Profihelfer, die auch sehr qualifiziert geholfen haben – aber sie hat sich bitterbös allein gefühlt. Bis der Ehemann verständigt war und dann endlich auch zu ihr vorgelassen worden ist.
Ich bleibe also da. Soll ich schweigend dabeisitzen?
Nein, bieten Sie immer mal wieder Kommunikation an: Wie geht es Ihnen jetzt? Brauchen Sie was? Kann ich was für Sie organisieren? Ist Ihnen kalt? Möchten Sie was zu trinken? Muss jemand verständigt werden? Aber achten Sie darauf, dass es nicht zu viel ist. Vielleicht sind Sie selbst so aufgeregt, dass Sie den anderen zuschütten – das ist auch keine angenehme Erfahrung.
Sollte ich sonst noch was vermeiden?
Sie sollten Einschätzungen vermeiden. Also nicht: Das und das muss jetzt getan werden! Das hier ist schlimm, und das ist halb so wild . . .
Wenn zum Beispiel bei einem großen Unfall ein Verletzter ganz aufgelöst ist, weil sein Auto kaputt ist, und ich dann sage: „Das ist doch jetzt überhaupt nicht wichtig!“
Zum Beispiel. Wenn ein Helfer meine Angst bagatellisiert, ist das eine Belastung für mich. Vielleicht ist das Auto auf Kredit gekauft und zwingend erforderlich, um die Arbeitsstelle in der Nachbarstadt zu erreichen, dieser Mensch sieht sich vor dem gesellschaftlichen Aus, und Sie sagen: „Nur ein Auto!“
Das heißt, nicht ich definiere, was schlimm ist?
Genau, die betroffene Person definiert, was für sie schlimm ist. Fragen Sie lieber höflich und interessiert nach, warum etwas so wichtig ist. Außerdem bekommen Menschen, die unter Schock stehen, manchmal einen Tunnelblick und finden
deshalb bestimmte Details ganz schlimm.
Eine andere Situation: Ein Kollege im Büro ist tot vom Stuhl gefallen, jetzt muss jemand der Familie die Todesnachricht überbringen. Soll man gleich sagen, was passiert ist?
Das sollten möglichst keine Laien machen. Das kann sehr schwierig sein. Eben deshalb bittet die Polizei da seit langem
Pfarrer, mitzugehen.
Reden Sie nicht drumherum
Okay, ich formuliere die Frage allgemeiner: Ich muss jemandem etwas mitteilen, was wirklich schlimm ist – zum Beispiel als Betriebsrätin einem Kollegen eine fristlose Kündigung . . .
. . . oder die Unterstellung einer Kollegin, ich hätte sie bestohlen; oder Missbrauchsvorwürfe gegenüber Lehrern. Da ist langes Herumreden um den Fakt eher belastend, denn die Person ahnt ja meistens schon aufgrund der Anspannung des Mitteilenden, dass jetzt etwas Unerfreuliches kommt. Man sollte aber vorher einen geschützten Rahmen schaffen, also dafür sorgen, dass keine unbeteiligten Dritten anwesend sind, vielleicht eine vertraute Person hinzuziehen, und dann sollte man es zügig und vor allem präzise sagen, damit sich die Menschen nicht an einen Strohhalm klammern, der in einer unklaren Formulierung verborgen sein könnte.
Also nicht: „Der Arbeitgeber will die Zusammenarbeit mit dir nicht fortsetzen.“ Sondern: „Er will dir kündigen.“
Genau. Und in der Todesmitteilung muss das Wort „tot“ oder „gestorben“ vorkommen. Bloß nicht so was sagen wie „ist jetzt bei Gott“ oder „ist von uns gegangen“.
Angenommen, jemand hat die schlimme Nachricht schon erhalten; ich bin die Freundin und fahre schnell hin – aber was soll ich bloß sagen?
Wir haben halt alle Floskeln gelernt, die uns helfen sollen, über unbekannte Situationen drüberzuholpern. Aber es ist wichtiger, dass Sie als Helfende authentisch bleiben, das wird außerordentlich geschätzt. Wenn Sie nichts mehr wissen, dann seien Sie still. Oder Sie sagen: „Mir hat es die Sprache verschlagen, ich kann gar nichts sagen.“ Und mobilisieren Sie auch nicht den „Kleinen Doktor in drei Tagen“ oder „den Psychologen im Hausgebrauch“ und andere Halbkenntnisse, sondern seien Sie so, wie Sie sind.
Bringen Sie Zeit mit, mehrere Stunden, auch eine ganze Nacht
Womit kann ich denn dann helfen?
Bringen Sie Zeit mit, mehrere Stunden, vielleicht auch eine ganze Nacht. Außerdem die Geduld, das Gleiche immer wieder zu hören. Fast alle Menschen, die etwas Schlimmes erlebt haben, erzählen davon immer und immer wieder. Sie erzählen, wie es war, was davor gewesen sein könnte, dass es dazu kommen konnte. Dann sollten Sie nicht sagen: „Das hab ich jetzt schon dreimal gehört, ich hab’s jetzt verstanden.“ Denn darum geht es nicht, sondern die Betroffene möchte das Ereignis in Varianten aussprechen, es immer wieder neu bedenken, es sortieren und es sich so allmählich aneignen.
Soll ich meine Meinung zu dem Ereignis sagen?
Die Betroffenen fragen zwar manchmal: „Was sagst du denn dazu?“ Aber sie wollen meist gar keine Antwort. Sie wollen erst einmal jemanden haben, der zuhört, der sich diesem inneren Reflexionsprozess aussetzt, der vor allem bereit ist, diese Zeit zu teilen.
Was – außer dem Wiederholen – kann noch auf mich zukommen?
Rechnen Sie damit, dass in der Anfangsphase viele ganz ambivalente Gefühle und Äußerungen aus einem Menschen rausquellen. Und legen Sie nicht alles auf die Goldwaage! Wenn ein wichtiger Mensch gestorben ist, sind oft nicht nur Trauer und Schmerz da, sondern auch Wut auf den, der einen einsam zurücklässt und auch alleinlässt mit offenen Aufgaben wie vielleicht Kindererziehung und Hausfinanzierung. Als Vertrauensperson leisten Sie am meisten, wenn
Sie dafür sorgen, dass die Betroffenen sich äußern dürfen, wie es ihnen jetzt gerade im Sinn ist.
Geben Sie dem Raum, wenn Menschen wüten, weinen, klagen
Also auch nicht beschwichtigen und beruhigen, wenn die Menschen lauthals klagen, wüten, weinen?
Geben Sie dem Raum, lassen Sie es laufen. Wir beobachten öfter in der Notfallseelsorge, vor allem bei Sterbefällen, dass
Nachbarn, Freunde, Verwandte sich in der Pflicht sehen, die Emotionalität zu regulieren und einzudämmen: nicht so viel, nicht so heftig! Natürlich, wenn ein Mensch sich in seiner Notfallsituation nicht mehr so gepflegt äußert, wie man das
sonst von ihm kennt, irritiert das, macht sogar Angst. Man weiß nicht, was noch weiter kommt, man hat keine Übung darin, auf solches Verhalten einzugehen. Dann sagen Leute oft: „Hör auf! Herr Doktor, können Sie nicht ein Beruhigungsmittel geben?“ Außerdem suchen Menschen nach schlimmen Ereignissen oft nach einem Schuldigen. Es kann sein, dass auch ein Helfer beschuldigt wird, für eine Ereigniskette verantwortlich zu sein. Darauf sollte man nicht direkt reagieren, sonst könnte die Situation entgleisen.
Nicht zu werten, nicht zu kommentieren, kann aber ganz schön schwer sein!
Manchmal ja. Auch weil Betroffene im Schockzustand manchmal merkwürdige Dinge in den Vordergrund rücken. Ich erinnere mich noch gut, wie ich zusammen mit einem Kollegen einem Ehepaar die Nachricht überbracht habe, dass die Tocher auf der Diskofahrt nachts in ihrem Auto tödlich ver unglückt ist. Erst wollten sie die Tür nicht öffnen für irgendwelche Fremden. Dann haben wir – gegen die Regel – in die Rufanlage gesagt: „Also letzter Versuch, Sie zu erreichen: Ihre Tochter ist tot.“ Da endlich machten sie die Tür auf, so dass wir die Details erzählen konnten. Und das Einzige, was diese Familie erst mal interessierte, war das Auto: Wo ist das Auto? Das Auto ist noch nicht abbezahlt, das haben wir ihr geschenkt, ist es kaputt? Da wurde mein Kollege richtig sauer. Wie können liebende Eltern angesichts des Todes ihrer Tochter über das Auto nachdenken! Er fing an zu schimpfen.
Kann man gut verstehen!
Ja, aber dann ist man nicht mehr hilfreich, dann ist man Teil des Konfrontationssystems. Ich sagte den Eltern noch die Kontaktadresse der Polizei und welche nächsten Schritte ich ihnen empfehle, dann habe ich mich verabschiedet. Der Kollege schaute mich fassungslos an, warum wir jetzt plötzlich gehen, ging aber brav mit. Erst in der Reflexion des Einsatzes wurde ihm klar, dass er die Neutralität aufgegeben hatte. Wir treffen in der Notfallseelsorge auf Menschen in einer hochintimen Situation, aber wir kennen die Vorgeschichte nicht. Es gibt also keinerlei Anhalt für eine Bewertung.
Werten Sie nicht. Was schlimm ist, entscheidet allein das Opfer
Na ja, aber gibt es nicht doch Sorgen, die objektiv unsinnig sind?
Warum ein Mensch bestimmte Dinge braucht fürs Leben, die mir völlig egal sind, das erschließt sich mir doch in den ersten Minuten oft gar nicht! Ich hatte zum Beispiel mal ein Telefonat, das über unsere Leitstelle reinkam, mit einer Frau,
die suizidgefährdet war. Sie besaß mehrere Häuser und musste nun aus verschiedenen Gründen ein paar davon verkaufen und zwar weit unter Wert. Sie sah ihre Altersabsicherung infrage gestellt. Da ich noch nicht mal eine Wohnung mein Eigen nennen konnte, fand ich es innerlich erst mal nur absurd, sich das Leben nehmen zu wollen, weil man einige Häuser unter Wert verkauft und noch drei oder vier übrig behält.
Und, wie ging das weiter?
Mir ist es gelungen, von meinem hohen Ross runterzukommen, wir haben länger gesprochen, die Dame hat sich angenommen gefühlt, und dann konnten wir irgendwann auch über die Verhältnismäßigkeit von Geschehen und Reaktion nachdenken. Ist nicht doch noch so viel da, dass man sagen muss: Es ist ein bitterer Schaden, es ist eine tiefe Wunde, und es bleibt auch eine große Narbe, aber damit ist das Leben an sich nicht infrage gestellt.
Jemand will von der Brücke springen - sprechen Sie ihn an
Stichwort Suizid: Angenommen, ich sehe jemand merkwürdig auf einer Brücke hin- und her laufen – was soll ich tun?
Wenn Sie jemanden sehen, dem es nicht gut zu gehen scheint, ob das zu Hause ist oder im öffentlichen Raum: Sprechen Sie die Person an, sofern Sie Traute, Zeit und Nerv genug haben! Nutzen Sie diese Chance Ihrer Wahrnehmung und fragen
Sie nach, ob jemand ein Problem hat, ob jemand Hilfe möchte. Ich glaube, dass eine Menge Menschen in unserer Gesellschaft tatsächlich gefährdet sind, weil sie keine oder zu wenige Ansprechpartner haben. Ob das nun suizidale Überlegungen sind oder ganz normale Krisen wie zu wenig Geld, arbeitslos, Ärger mit dem Partner. . . Es lohnt sich für die Betroffenen, manchmal auch für mich selbst als Helfer, es anzusprechen.
Und wenn ich dann angepflaumt werde: „Was geht Sie das an!“ Das ist dann ja auch peinlich.
Mit dieser Reaktion komme ich, ehrlich gesagt, besser klar, als wenn ich nichts sage und später feststelle, dass dieser Mensch mittlerweile in ganz große Schwierigkeiten geraten ist oder sich gar umgebracht hat oder auch schlicht und einfach gestorben ist. Denn dann ist jede Möglichkeit uneinholbar vorbei. Die Frage ist doch: Wollen wir konfliktfrei, ohne Ärger, ohne Reibungsverluste durchs Leben gleiten – mit dem Risiko, dass sich im Gegenzug auch für mich keiner interessiert?
Jetzt streitet sich vielleicht in meinem Mehrfamilienhaus ein Ehepaar immer ganz furchtbar – wie soll ich denn da auftreten?
Klar, das ist schwierig. Soll ich da wirklich klingeln, während die gerade streiten? Aber vielleicht gibt es mal im Treppenhaus die Chance, die Frau anzusprechen: „Entschuldigen Sie bitte, es geht mich natürlich nichts an, aber ich hörte wiederholt, dass Sie heftig Streit haben. Ich frage mich, wie es Ihnen dabei geht. Ich hab keine Ahnung, um was es geht und weiß auch gar nicht, ob Sie mit mir drüber reden wollen. Aber ich sage Ihnen, ich krieg’s mit, es berührt mich, und ich
bin bereit, wenn Sie das möchten, im Rahmen meiner vielleicht sehr begrenzten Möglichkeiten, Ihnen zu helfen.“ Wenn man ein Angebot macht in dieser höflichen, nicht wertenden Form, dann hat der andere eine Chance, darauf einzugehen.
Und wenn die Frau sagt, da sei nur ein Schrank umgefallen oder dass ich mich um meinen eigenen Kram kümmern soll?
Ich glaube, wir sind für unser Schicksal in hohem Umfang auch selbst verantwortlich. Daher muss ich meinem Gegenüber auch das Recht einräumen, angebotene Hilfe abzulehnen. Aber ich glaube auch, dass in unserer Gesellschaft Menschen in Krisen zu wenig angesprochen werden und dass sich zu wenige Leute trauen, ihre Beobachtungen zu äußern. Das Risiko, dass ich als potenzieller Helfer abgewiesen werde und dass das eine peinliche Situation ist, das trage ich gern. Unterm großen Strich sagt die Bilanz: Reden hilft, schweigen ist schwierig.
Widersprechen Sie nicht, wenn jemand Gott beschimpft
Jetzt sind Sie ja nicht als Laienhelfer unterwegs, sondern als Pfarrer. Was sagen Sie, wenn Menschen schreien: Wieso hat Ihr blöder Gott das nicht verhindert? Wie kann der das zulassen!
Oft sage ich: Ich weiß es nicht. Warum Sie Ihr Kind, das Sie so lieben, durch plötzlichen Kindstod verlieren, warum Ihr Gatte, obwohl Sie erst vor drei Wochen geheiratet haben, tödlich verunglückt ist, warum Ihr Arbeitgeber gerade Sie, obwohl Sie so toll gearbeitet haben, aus wirtschaftlichen Gründen entlässt – ich kann es Ihnen nicht erklären. Nur manchmal, wenn bei jemandem was da ist an Glauben und er aufnahmebereit ist, sage ich: Ich weiß nicht, warum Ihnen das zugestoßen ist. Aber kennen Sie Psalm 23? „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal“ – jetzt sind wir im finsteren Tal. „Du bist bei mir“ – das ist eine Zusage.
Gott anzuklagen, das hat in den Psalmen der Bibel ja eine lange Tradition . . .
Ja, da knallen ihm auch gläubige Menschen ihre Wut vor die Füße, da wird Gott als abwesender Gott, als strafender Gott, als Mistkerl wahrgenommen. Selbst Christus schreit am Kreuz: „Warum hast du mich verlassen?“ Diese Möglichkeit der Klage und der Wut existiert und muss von mir nicht korrigiert werden. Wir Theologen neigen aber dazu, in solchen Situationen unseren Gott zu verteidigen, statt bei dem Menschen zu sein, der fassungslos ist und es nicht verstehen kann. Statt zu sagen: „Ja, du hast einen guten Grund, dich so zu fühlen, wie du dich fühlst“, kramen wir einen barmherzigen Gott aus, der das Schlechte doch gar nicht will und der alles bereithält, damit du, Mensch, auch wieder eine Perspektive kriegst. Wir tun das weniger, weil wir Trost geben wollen, als weil wir es nicht aushalten, in dieser Situation nichts in der
Hand zu haben.
Auf solch eine Art Beistand würde man wohl lieber verzichten.
Das geht so weit, dass Menschen, die solch theologische Begleitung erlebt haben, sich auch noch um ihre Wut, ihre Trauer, ihre Klage beraubt fühlen. „Gott hat mir schon alles genommen, jetzt bin ich am Ausrasten, und dann kommt jemand und sagt: Das darfst du auch nicht, weil das ein lieber Gott ist. Nicht mal mehr untröstlich darf ich sein!“ Da müssen wir aufpassen. Aber auch für Laienhelfer gilt: Es geht nicht darum, Antworten zu produzieren. Die Betroffenen wissen ja selbst, dass die anderen auch keine Antworten haben.
Die Notfallseelsorge sucht immer Mithelfer
Sie suchen für die Notfallseelsorge auch Laienhelfer, die Sie ausbilden und dann ins Profiteam integrieren. . .
Ja, wir suchen immer Nachwuchs. So viele Profis gibt’s gar nicht, wie wir da draußen bräuchten. Die Notfallseelsorge deckt nur einen kleinen Teil von Krisensituationen ab.
Was muss ich mitbringen, wenn ich Laienhelferin werden möchte?
Sie müssen Spaß haben an unterschiedlichsten Menschen. Fremde Situationen sollten Ihnen keine Angst einjagen, sondern Sie sollten sich gern mit Unbekanntem auseinandersetzen. Sie sollten keinen großen Hang zum Schubladendenken mitbringen. Und Sie sollten ein hohes Maß an Bereitschaft zur Selbstreflexion mitbringen, auch zur kritischen Reflexion des eigenen Verhaltens, denn wir besprechen die Einsätze und auch die eigene Befindlichkeit regelmäßig.
Können das auch Berufstätige?
Wir haben in Wiesbaden, nur als Beispiel, einen hochflexiblen Dienstplan, das Kleinste, was Sie an Rufbereitschaft buchen können, ist ein halber Tag, also etwa von abends sechs bis morgens sechs. Sie können in der Zeit tun, was sie sonst auch tun – außer viel Alkohol zu trinken. Sie sollten nur darauf achten, dass sie technisch erreichbar bleiben und zeitnah am Einsatzort sein können. Aber Sie sollen Ihr Leben so normal leben wie irgend möglich, denn allein schon die Rufbereitschaft hat ein Stresspotenzial.
Und dann hat man immer mit Leid und Tod zu tun . . .
Aber meine Erfahrung nach 17 Jahren ist die: Menschen überleben auch allerschlimmste Dinge. Leute, die völlig am Boden waren, kriegen dann doch noch mal einen Auftrieb. Interessanterweise erlebe ich das öfter auch bei alten Menschen. Das sind richtige Mutmachgeschichten.
Notfallseelsorge
Da hab ich nur eines dazu zu sagen: ein ganz, ganz tolles, sehr sehr tolles Interview, das unglaublich gut eine Haltung für schwierige Situationen erklärt, anbietet und Handlungsideen gibt! Ein super Interview. Ich hab total viel Neues jetzt gelesen. Danke! Toller Einblick!
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