Für 13 Kinder war die Pfadfinderin Hanna verantwortlich
Eins hat sie gemerkt beim ersten Mal "auf Lager": Streng sein ist schwer.
Tim Wegner
07.10.2010

Ich war jetzt zum ersten Mal auf Lager mit meinen 13 Wölflingen. So heißen die Sieben- bis Zehnjährigen bei den Pfadis, das ist vom "Dschungelbuch" abgeleitet. Wir hatten schon ein paar Mal im Gemeindezentrum übernachtet, aber wir waren noch nie fünf Tage zelten. Mit so viel Heimweh hatte ich nicht gerechnet. Ein Junge sagte, er sieht überall Geister, und die Engel sind nicht da, die ihn beschützen. Wir haben alles mit ihm nach Geistern abgesucht, aber er hat immer weitergeweint. Er musste gleich am ersten Abend abgeholt werden.

"Wann dürfen wir endlich schlafen?"

Andere sagten zwar auch, dass es zu Hause besser ist, aber das war kein richtiges Heimweh. Das sagen sie, weil sie zu Hause nicht so viel tun müssen. Wir beschäftigen die ja von morgens bis abends, damit sie keinen Blödsinn machen und sich nicht schlagen. Wir spielen viel, aber sie müssen auch Wasser holen, den Platz fegen und Holz hacken. Abends sind sie meistens so fertig, dass sie froh sind, wenn sie ins Bett kommen. Die fragen sogar: "Wann dürfen wir endlich schlafen?"

Ich tue auch gerne mal nichts. Aber das geht nicht, wenn man für das Wohlergehen von 13 Kindern zuständig ist, auch wenn wir zu dritt die Gruppe leiten. Haben sich alle eingecremt? Ist kein Kind alleine am Holzplatz mit der Axt zugange? Waren alle noch mal auf dem Klo? Haben alle genug getrunken? Zur Not bleiben wir so lang neben ihnen stehen, bis sie was getrunken haben.

Manchmal wächst einem alles über den Kopf. Dann geht man mit einer Tasse Kaffee eine Viertelstunde ins Leiterzelt. Wenn ich einem Kind zehnmal erklärt habe, warum es jetzt was zu Mittag essen muss, auch wenn es keinen Hunger hat, oder warum es seine nassen Socken wechseln muss, dann bin ich schon mal auf 180.

Aber man lernt bei den Pfadfindern von klein auf, Verantwortung zu übernehmen - leitet mit 13 zum Beispiel die Spülgruppe. Auch die Wölflinge geben schon ein Versprechen ab: "Ich helfe gerne" und "Ich folge nicht meinen Launen". Und die wissen genau, was damit gemeint ist: dass sie mitmachen, auch wenn sie keine Lust haben.

Letztes Mittel: Mit Kloputzen drohen

Natürlich sagen die Kinder, sie haben keine Lust auf Abspülen. Aber erst wenn sie das fertig haben, können sie was anderes machen - schnitzen oder Feuer machen. Sie tun eigentlich schon, was man ihnen sagt. Spätestens wenn man droht: Dann musst du am Ende vom Lager das Klo saubermachen!

Nur wenn ihnen was gar zu viel Spaß macht, hören sie nicht auf mich. Ich bin leider keine Autorität für sie, das ist ein bisschen ein Problem. Da muss dann die Hännie her, mit der und Flo leite ich die Gruppe. Die ist auch 17, aber sie kann richtig laut werden. Sie hat drei ältere Brüder. Hännie sagt manchmal im Spaß: "Ach, auf die Hanna müsst ihr doch nicht hören! " Aber die Kinder denken natürlich, sie meint es ernst. Dass sie meine Autorität untergräbt, hab ich ihr schon gesagt, aber ihr fällt das halt immer erst hinterher auf.

Ich kann eben nicht streng sein, ich bin eher die Liebe für die Kinder. Mir macht Spaß, dass sie so ungefähr werden, wie ich mir das vorstelle. Sie übernehmen, was ich ihnen beibringe: Knoten, Lieder, Benimmregeln - dass man andere ausreden lässt, niemanden haut... Na ja, das funktioniert noch nicht so.

Ich bin richtig stolz auf meine Kinder.

Ich bin richtig stolz auf meine Kinder. Auch weil sie sich von den Größeren auf dem Stammeslager nicht haben unterkriegen lassen - die ärgern die Kleinen gern, jagen sie beim Fangen zum Beispiel so lang, bis die nicht mehr können.

Manche Leute verstehen nicht, warum ich so viel Zeit investiere in so was. Es ist halt nicht ihre Welt. Muss auch nicht. Draußen schlafen, das ist Abenteuer pur, fand ich als Kind. Ich bin, seit ich sechs bin, beim Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder. Heute finde ich besonders das Gemeinschaftsgefühl toll. Dass ich mich auf jemanden 100-prozentig verlassen kann. Auf Lager ist man einfach aufeinander angewiesen, damit alles reibungslos funktioniert. Das tut es natürlich nie...

Protokoll: Christine Holch

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