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Es gibt Profis - zuletzt Arne Friedrich, Philipp Lahm ist auch ein Beispiel -, die tun alles, um ja nicht als schwul zu gelten. Warum gibt es so wenig Gelassenheit?
Christian Rudolph: Philipp Lahm hatte ja zunächst mit seinem Interview für das schwule Lifestyle-Magazin "Front" durchaus einen gelassenen Umgang mit dem Thema bewiesen. Damit hat er aber ein Tabu gebrochen, und jeder meint jetzt, nur weil er ein Interview für ein schwules Magazin gegeben hat und mit einem schwulen Fußballkollegen kein Problem hätte, müsse er auch schwul sein. Später fühlte er sich so bedrängt, dass er es für nötig empfunden hat, sich als Hetero zu outen. Das ist schade! Und das hängt sicherlich mit den Attributen, die Homosexuellen zugewiesen werden, zusammen: Schließlich können Schwule - Frauen wird das ja auch gerne vorgeworfen - angeblich keinen Fußball spielen. Und wenn sie sich für Fußball interessieren, dann nur für die ganzen gut aussehenden Männer. Härte und den nötigen Kampfgeist lassen sie aber natürlich vermissen. Bei solchen Unterstellungen ist es nicht weiter verwunderlich, dass ein Spieler sich irgendwann gezwungen sieht, besonders zu betonen, dass er nicht schwul ist.
Jeder wartet doch nur auf das eine Outing
Sicher würden wir uns hier einen offeneren Umgang wünschen, aber wir müssen mit Bedauern feststellen, dass es mittlerweile zu einer richtigen medialen Jagd geworden ist. Jeder wartet ja nur noch auf das eine Outing. Jeder kennt einen, der gehört hat, dass ein Bekannter einen schwulen Fußballer kennt. Das schafft nicht gerade das Klima für einen offeneren Umgang, sondern verstärkt sogar den Druck auf die einzelnen Betroffenen, noch mehr darauf zu achten und sich zu verstecken. Uns geht es deshalb mehr darum, ein Klima zu schaffen, in dem es ohne Zwang und allzu großes Aufsehen möglich ist, sich zu outen.
Was meinen Sie: Wie würde es dem ersten Profi ergehen, der sich in seiner aktiven Zeit outet?
Schwer zu sagen. Die Medien werden mit Sicherheit wochenlang nur das eine Thema haben. Es ist ja auch immer erstaunlich, wie ein ganzes Interview - wie zum Beipsiel das mit Arne Friedrich - auf das eine Thema reduziert wird. Viel wird mit Sicherheit von der Unterstützung aus dem Umfeld abhängen, ob der Spieler XY diese erhält oder fallen gelassen wird. Wie wichtig das ist, sieht man recht häufig, wenn ein Spieler mit Problemen im Privaten zu kämpfen hat. Es wäre schade, wenn das Coming Out vor allem anderen stehen würde - wenn der Spieler also nicht mehr nach seinen Fähigkeiten, seinen Leistungen beurteilt wird, sondern der Fokus nur noch auf seiner Homosexualität liegen würde. Das konnte man ja auch sehr gut bei der Frauen-WM in Deutschland beobachten. Im Sommer wurde ja auch versucht, den Frauenfußball weiblicher darzustellen und dann kamen dabei Interviewfragen heraus wie: „Was benutzen Sie für ein Haarspray?“ Das ist sehr bedenklich, denn ich denke, dass sich ein schwuler Fußballer nichts sehnlicher wünscht, als einen ganz normalen Umgang und ansonsten ungestört seiner Leidenschaft nachzugehen, nämlich dem Fußballspielen. Ich finde es schwierig, Aussagen zu einem möglichen Outing zu treffen. Was wir uns wünschen, ist eine Bewusstseinsänderung und, wenn es soweit ist, eine starke Solidarisierung.
Kennen Sie schwule Profis?
Nein, und wenn, dann würden wir auch keine Andeutungen machen. Ein Outing wird hoffentlich bald möglich sein und wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass sich Sportler ganz normal bewegen können, ohne Angst vor Diskriminierung und davor, als DER schwule Fußballer abgestempelt zu werden.
Haben sich Profis mit Ihnen solidarisiert, auch öffentlich?
Bislang nicht, und das war gar nicht unser Anliegen, aber wir würden uns natürlich sehr darüber freuen.
Wenn wir über Homophobie reden: Gibt es Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball?
Das Thema Homophobie lässt sich nur schwer von einer anderen Diskriminierungsform, nämlich Sexismus und den damit verbundenen Geschlechterrollen, trennen. Hier haben wir das umgekehrte Phänomen: Frauen, die Fußball spielen, gelten ganz schnell als lesbisch.
Eine lesbische Trainerin? Die Vereine haben Angst, dass Eltern ihre Kinder dann abmelden!
Auch im Frauenfußball ist es leider noch häufig so, dass es nicht gern gesehen wird, wenn zum Beispiel die Trainerin einer Mädchenmannschaft lesbisch ist bzw. sich dazu bekennt, da viele Vereine fürchten, dass die Eltern ihre Kinder deshalb abmelden. In den Teams unter den Spielerinnen ist es hingegen oft kein Problem. Man kann aber schon festhalten, dass Homophobie nicht bloß im Männerfußball ein Problem ist, auch wenn es sich bei den Männern oft deutlicher ausprägt.
Wie steht es um das Problem in niedrigeren Spielklassen?
Wir sind mit TeBe Berlin ja nun leider selbst in einer unteren Liga angekommen. Hier gehen die Sprüche oft auch eher von den Teams und seltener von den Zuschauern der gegnerischen Vereine am Spielfeldrand aus. Aber generell würde ich sagen, dass es in den unteren Ligen ein größeres Problem ist oder zumindest sind Homophobie, Rassismus und Antisemitismus noch nicht so verpönt wie in den Profi-Stadien. Das Banner war zuletzt beim VfL Halle beim Spiel gegen Lok Leipzig. Da durften sich die Fans von Halle vom "U-Bahnlied" (ein rechtsradikaler Fangesang, der einen Bezug zur Judenverfolgung erkennen lässt, Anm. d. Red.) bis zu "Schwuler VfL" alles anhören. Andererseits ist unseres Erachtens auch im Profi-Bereich nicht alles Gold, was glänzt.