Evelyn Dragan
13.10.2011
Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr
Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.
Lukas 16,1-9

Jesus erzählt von einem Verwalter, der beim Betrug erwischt wird. Ach, könnten wir seufzen – das ist ein allzu bekanntes trauriges Thema über Jahrtausende hinweg! In dem biblischen Gleichnis werden keine Tatsachen vermittelt, es geht nur um Hörensagen. Aber offensichtlich stimmen die Gerüchte, der Verwalter leugnet nicht. Um seine Zukunft abzusichern, steigert er interessanterweise den Betrug auch noch. Und das soll eine Lehre sein für den Umgang mit Geld?

Ein merkwürdiger Text! In der Auslegung ist immer wieder umstritten, wie er zu verstehen sei. Wird hier im Umgang mit dem schnöden Mammon Klugheit gepriesen? Oder bedeutet das Gleichnis: „Jesus lobt betrügerisches Handeln, um seine Lebensexistenz zu sichern“, wie es in der Twitterbibel „Und Gott chillte“ heißt?

 

Geld verleihen ist eine Vertrauensfrage.

Zunächst einmal wird jemand zur Rechenschaft gerufen mit Blick auf seine Verwaltung von Geld und Gut. Rechenschaft: Wer die jüngste Finanzkrise anschaut, ahnt, wie brisant dieser Begriff auch heute ist. Im Gleichnis wird dem Reichen zugetragen, dass sein Verwalter ein Betrüger ist. Der Reiche seinerseits kommt nicht in die Kritik, weil er vermögend ist. Es geht darum, dass derjenige, dem er sein Vertrauen schenkt, dieses bricht.

Vielleicht kam es so zu der Volksweisheit: „Beim Geld hört die Freundschaft auf!“ Anderen Geld zu leihen, ist ein Akt von Großmut, aber eben auch von Vertrauen. Das Geld anderer zu verwalten, ist nicht einfach ein Geschäft, sondern eine Vertrauensfrage. Wem leihe ich etwas? Wenn ich darüber nachdenke, erkenne ich viel über meine Einschätzung anderer Menschen, auch über mein Verhältnis zu ihnen.

 

Allzuoft macht redliches Nachdenken der Gier Platz

Oder ich erkenne etwas über mich selbst. Allzu oft scheint ein solches redliches Nachdenken der Gier nach Gewinn Platz zu machen. Da überlegen Menschen nicht mehr, wem sie vertrauen, sondern setzen auf gigantische Versprechungen. Und wenn dann deutlich wird, was offensichtlich ist, nämlich, dass Geld sich nicht einfach so von selbst vermehrt, gibt sich die Welt schockiert.

„Finanzkrise“ wurde zum Wort des Jahres 2008. Und in der Tat wurde das Vertrauen in Menschen, die das Geld anderer verwalten, zutiefst erschüttert. „Das Schlimmste ist überstanden“, erklärte Richard Fuld, Chef der US-Investmentbank Lehman Brothers, im April 2008. Fünf Monate später ging das 158 Jahre alte, von deutschen Einwanderern gegründete Institut pleite. Viele, auch eine evangelische Landeskirche in Deutschland, verloren viel Geld.

 

Das Einzige, was den untreuen Verwalter trägt, sind Beziehungen.

Wie kann es sein, dass vernünftige Menschen sich derart verführen lassen von Renditeversprechungen? Ist die Gier schlicht im Menschen angelegt? In jedem Fall kennt schon das biblische Gleichnis solche Gier, solchen Missbrauch von Vertrauen angesichts anvertrauter Güter. Interessant aber ist, dass der Verwalter nun nicht versucht, Geld beiseitezuschaffen oder sich aus dem Staub zu machen. Nein, er überlegt, wie seine Zukunft aussehen könnte. Und dabei wird ihm deutlich: auf soziale Sicherheit, auf den Markt kann er sich nicht verlassen. Er versucht, sich Sicherheit dann doch in gewisser Weise zu erkaufen, indem er anderen, die von ihm abhängig sind, Schulden erlässt.

Das ist eine interessante Wendung. Das Einzige, was den untreuen Verwalter am Ende tragen kann, sind Beziehungen. Liebe. Freundschaft. Respekt. Entscheidend sind plötzlich die Werte, die gar nicht bezahlbar sind.

„Machet euch Freunde mit dem schnöden Mammon“ – nicht umsonst ist dieses Bibelzitat in die Alltagssprache eingegangen. Raffgier, Geiz, Gier, Geldsucht machen einsam. Teilen, Geben, Großzügigkeit und Freigiebigkeit bringen Freunde und Freude. Eine schlichte Wahrheit. Heute wie in biblischen Zeiten.

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