Düsseldorf (epd). Patienten sollten den Rat eines Arztes für eine Operation nach Ansicht der Verbraucherschützerin Tanja Wolf nicht leichtfertig akzeptieren. "Es gibt im Gesundheitssystem verschiedene Anreize, schnell und viel zu handeln, daher ist es auch richtig, Operationen kritisch zu hinterfragen", sagte die Gesundheitsexpertin der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Bei nicht akut lebensbedrohlichen Erkrankungen sei es wichtig, die Entscheidung für oder gegen eine OP gut abzuwägen, um sich vor unnötigen Eingriffen zu schützen.
Bei Unsicherheiten oder Bedenken empfiehlt Wolf, die Meinung eines zweiten Arztes einzuholen. "In Deutschland gibt es das Recht der freien Arztwahl", sagte die 49-Jährige. Jeder Versicherte dürfe selbst einen zweiten Arzt auswählen, ihm seine Situation schildern und vergleichen, ob dieser eine ähnliche Empfehlung abgibt.
Anspruch auf Zweitmeinung
Zusätzlich gebe es seit 2017 einen gesonderten Anspruch auf eine Zweitmeinung, wonach Patienten eine Liste mit ausgewählten Ärzten erhalten können, die als Zweitbetrachter besonders qualifiziert sind. Allerdings gelte die Regelung bislang nur für Gebärmutterentfernungen und Mandeloperationen. Bei anderen OPs müssten Patienten den zweiten Experten nach eigenem Ermessen auswählen - ohne Garantie, dass sich der neue Arzt besser mit der jeweiligen Krankheit auskenne.
Auch sei es wichtig, sich beim Arzt zu erkundigen, ob vor der OP tatsächlich alle konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft worden sind, fügte Wolf hinzu. Vor einer Hüftoperation könne zum Beispiel Physiotherapie oder Gewichtsverlust hilfreich sein. "Es sollte nur dann operiert werden, wenn keine andere Wahl bleibt", sagte die Expertin. Sollte man sich für eine Operation entschieden haben, empfiehlt Wolf, sich beim Arzt nach den infrage kommenden Operationsverfahren und möglichen Komplikationen zu erkundigen.
Patientenerwartung
Viele Patienten würden denken, dass jede Behandlung besser sei als abwarten, sagte die Verbraucherschützerin. "Es gibt auch bei Patienten die Erwartung, dass zwingend etwas gemacht werden muss - wie bei einem Auto in der Werkstatt." So ließen sich zum Beispiel viele Männer mit Prostatakrebs direkt operieren, obwohl sich dieser Krebs nur sehr langsam ausbreite. Sie nähmen dabei in Kauf, möglicherweise inkontinent oder impotent zu werden. "Viele der Männer sterben nicht an der Krebserkrankung, sondern an etwas anderem", sagte Wolf.