Die Auflösung eines Protestcamps in der sudanesischen Hauptstadt Khartum war noch brutaler als bisher angenommen. Jetzt wollen Menschenrechtler, dass die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union gegen die Militärjunta ermitteln.
14.06.2019

Menschenrechtler haben eine unabhängige Untersuchung der Gewalt gegen friedliche Demonstranten im Sudan gefordert. Die Behauptung des Militärregimes, die mehr als 100 Todesfälle am 3. Juni seien irrtümlich geschehen, sei skandalös, erklärte die Regionaldirektorin von Amnesty International für die Region, Sarah Jackson, am Freitag. Tatsächlich habe es sich um einen genau geplanten Angriff gehandelt. Die für das folgende Blutbad Verantwortlichen müssten zur Verantwortung gezogen werden. Jackson forderte die Vereinten Nationen und Afrikanische Union auf, die Vorgänge zu untersuchen.

Beim Niederreißen eines Protestcamps und anschließenden Straßenkämpfen sind laut Opposition am 3. Juni 118 Menschen getötet worden, die Armee spricht von 61 Opfern. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in den Krankenhäusern von Khartum zudem mehr als 850 Verwundete und Verletzte behandelt.

Vermutlich hohe Dunkelziffer bei Verletzten

Viele von ihnen hätten Schusswunden aufgewiesen, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier in Genf. Auch Vergewaltigungen habe es gegeben. Vermutlich gebe es noch eine hohe Dunkelziffer von Verletzten, die zu Hause oder bei Ärzten behandelt worden seien. Lindmeier verurteilte zudem Übergriffe auf Krankenhäuser. Sieben solche Fälle seien der WHO gemeldet worden, fünf davon habe man unabhängig verifizieren können.

Die Opposition wirft der Sondereinheit RSF vor, Krankenhäuser gestürmt zu haben. Die RSF-Einheiten bestehen aus ehemaligen Dschandschawid-Milizen, die bereits im Darfur-Konflikt für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren. Ihr früherer Anführer Mohamed Hamdan Dagalo (auch Hemeti genannt) ist stellvertretender Chef des sogenannten Militärrats.

Junta gibt räumt erstmals "Fehler" ein

Das Militärregime im Sudan hatte am Donnerstagabend erstmals die Verantwortung für den Einsatz gegen die demonstrierenden Oppositionellen eingestanden und von "Fehlern" gesprochen. Ein Sprecher des seit zwei Monaten herrschenden Militärrats hatte eine interne Untersuchung angekündigt. Mehrere Verantwortliche seien inhaftiert worden.

In einer von Amnesty zitierten Mitteilung des Militärrats heißt es, am Vorabend des Sturms auf das Protestcamp der Opposition habe das Gremium sich vollzählig versammelt und gemeinsam mit den Chefs der Geheimdienste, Armee- und Polizeiführung über das Vorgehen beraten. Zudem seien beratend der oberste Richter sowie der Generalstaatsanwalt hinzugezogen worden. Amnesty-Direktorin Jackson forderte, die Aussagen der Juristen zu veröffentlichen.

Anklage gegen Al-Baschir

Der Anfang April vom Militär gestürzte Langzeitherrscher Omar al-Baschir muss sich unterdessen wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten. Das erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Donnerstag. Ein Termin wurde noch nicht bekannt.

Unklar bleibt weiterhin die erwartete Bildung einer Übergangsregierung, auf sich der Militärrat und die Opposition verständigt haben. Ein Mitglied der Militärjunta, Salah Abdel Khaliq, sagte dem britischen Sender BBC am Freitag, die Übergangsregierung müsse vom Militär angeführt werden. An dieser Forderung waren bisherige Verhandlungen gescheitert.

Die Opposition hatte einen von ihr ausgerufenen Generalstreik am Mittwoch für beendet erklärt und die baldige Ernennung einer Regierung angedeutet. Dabei war eine zivile Mehrheit in dem Gremium erwartet worden, wie von der Opposition gefordert. Die Afrikanische Union hat die Mitgliedschaft Sudans bis zur Einsetzung einer Übergangsregierung suspendiert.

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