Berlin (epd). "Wir haben Schuld auf uns geladen", sagte die Hamburger Bischöfin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es ist unsere Verantwortung, uns damit auseinanderzusetzen", sagte sie mit Blick auf die Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom 11. bis 14. November in Würzburg. Dort wird auch das Thema Missbrauch auf der Tagesordnung stehen.
Ein Riss im Selbstbild der Kirche
"Wir wollen damit erreichen, dass das Thema auch innerhalb der evangelischen Kirche noch mehr Aufmerksamkeit bekommt", sagte Fehrs. Es konfrontiere "mit einem Riss im Selbstbild der Kirche", sagte die Bischöfin, die in ihrer Amtszeit die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in Ahrensburg begleitete und damit zu einem Gesicht für das Thema innerhalb der evangelischen Kirche wurde.
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatte Ende September die von ihr in Auftrag gegebene Studie zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester, Diakone und Ordensangehörige vorgestellt. Eine analoge Untersuchung gibt es in der evangelischen Kirche nicht.
Blick auf katholische Studie
Anlässlich der Synode wurde aber eine Abfrage in allen 20 evangelischen Landeskirchen zur Zahl der Fälle veranlasst. Fehrs zufolge sind aktuell 479 Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids bekannt. Das sind gut 150 mehr als bei der letzten Erfassung. "Es handelt sich um Fälle, die in den 1950er Jahren und in den dann folgenden Jahrzehnten passierten", sagte sie. Der Schwerpunkt der Fälle bezogen auf die Häufigkeit liege zwischen 1950 und Ende der 1970er vor allem im diakonischen Bereich. Zudem seien Fälle bekannt, die sich an andere Stellen als die kirchlichen gewandt haben. Dabei könne es Doppelungen geben.
Fehrs sagte, die durch die Studie der katholischen Bischofskonferenz bekanntgewordenen systemischen Risikofaktoren seien auch für die evangelische Kirche und die Gesellschaft insgesamt relevant. Die Studie hatte ergeben, dass spezielle Machtstrukturen sowie sexuelle Unreife in Kombination mit dem Zölibat Missbrauch befördern können. "Machtmissbrauch durch vermeintlich nicht hinterfragbare Amtspersonen ist auch bei uns möglich", sagte Fehrs: "Autoritäre Systeme hat es auch in evangelischen Gemeinden gegeben."
Tabu oder demonstrative Lockerheit
Problematisch sei in der evangelischen Kirche zudem oft ein Ineinanderübergehen von privaten und beruflichen Kontakten. Dritter Risikofaktor seien rigide Formen von Sexualpädagogik. "In manchen eher frommen Zirkeln wurde und wird Sexualität so tabuisiert, dass man Missbrauch kaum ansprechen kann", sagte sie. Das andere Extrem sei der bisweilen "demonstrativ lockere und grenzüberschreitende Umgang mit Sexualität nach 1968".