Der Autor fühle sich derzeit nicht in der Lage, vor Publikum zu lesen, erklärte der Eichthal-Verlag. Tellkamp hatte sich zuvor kritisch zur deutschen Flüchtlingspolitik und zum politischen Islam geäußert. Monika Maron "versteht die Aufregung nicht".
15.03.2018

Der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp hat seine für März geplante Lesereise in Norddeutschland abgesagt. Tellkamp fühle sich derzeit nicht in der Lage, vor Publikum zu lesen, erklärte der Eichthal-Verlag am Donnerstag in Eckernförde. Der Autor sehe eine "nicht unerhebliche Gefahr, das seine Lesungen zweckentfremdet und von Kräften gekapert werden, die mit Literatur wenig oder nichts zu tun haben". Tellkamp steht wegen seiner jüngsten Äußerungen zu Flüchtlingen und Islam heftig unter Kritik.

Die Schriftstellerin Monika Maron nahm ihren Kollegen unterdessen in Schutz. Tellkamp habe zwar eine Diktion, die ihr nicht aus dem Herzen spreche, sagte Maron am Donnerstag in einem Interview des Deutschlandfunks. Bis auf einen Satz und eine Kleinigkeit habe sie in seinen Aussagen aber nichts gefunden, was nicht ohnehin in Zeitungen diskutiert werde. "Ich verstehe die Aufregung nicht", sagte die Autorin.

Niemand bestreite, dass sich der Islam auf der ganzen Welt radikalisiere, sagte Maron. Man wisse, was in Moscheen gepredigt werde und dass sich an Schulen "eine konservative oder auch aggressive islamische Tendenz" durchsetze.

"Ächtung droht"

Auf die Frage nach dem Vorwurf einer "Gesinnungsdiktatur von links" sagte Maron, wer in Deutschland offen seine Meinung sage, dem drohe "eine kleinere oder größere Ächtung". "Das haben die Leute oft genug erlebt. Und das erleben sie jetzt bei Uwe Tellkamp", sagte die Autorin: "Jedem Menschen, dessen Meinung einem nicht genehm ist, klebt man eine AfD-Marke ans Hemd und sagt, er ist rechts."

Auf einer Podiumsdiskussion mit seinem Kollegen Durs Grünbein hatte sich Tellkamp am Donnerstag vergangener Woche in Dresden zu Flüchtlingen und zum Islam geäußert. Dabei sagte er unter anderem, 95 Prozent der Flüchtlinge kämen, "um in die Sozialsysteme einzuwandern" - den Satz, den Maron kritisch sieht. Der Bundesregierung warf Tellkamp im Zusammenhang mit der Öffnung der Grenzen 2015 Rechtsbruch vor. Es mache ihm Angst, dass mit dem Islam eine Politik importiert werde, die mit westlichen Werten, speziell dem Rechtssystem, "nicht viel am Hut hat", sagte er.

Der Suhrkamp-Verlag, bei dem Tellkamps Bestseller "Der Turm" erscheint, distanzierte sich einen Tag später von ihm. Die Haltung der Autoren des Hauses sei nicht mit der des Verlages zu verwechseln, hieß es via Twitter.

Kritik am Verlag

Maron warf dem Suhrkamp-Verlag vor, Tellkamp im Stich gelassen zu haben. Eigentlich sei es eine Selbstverständlichkeit, dass ein Verlag nicht unbedingt die Haltung seiner Autoren vertrete. Die Distanzierung durch das Äußern dieser Selbstverständlichkeit sei eine "Ungeheuerlichkeit". Ein Verlag sei eine "Andockstation" für einen Autor; vom Verlag verlangten Schriftsteller Beistand und Schutz. "Der Suhrkamp-Verlag hat seinen Autor verraten."

Auch der Soziologe und Publizist Thomas Wagner kritisierte Suhrkamp. Die "überflüssigen Reaktionen" auf Tellkamps umstrittene Äußerungen habe er mit Befremden zur Kenntnis genommen, so der Autor eines Buchs über die Neuen Rechten. Der Verlag habe sich lediglich selbst unangreifbar machen wollen.

Auch der Schriftsteller Durs Grünbein hatte Suhrkamp zuvor kritisiert. Die Reaktion sei ein "absolut falsches Signal" gewesen. Der Verlag habe das "Vorurteil von der Gesinnungsdiktatur" nur bestätigt, sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit". Grünbein hatte seinem Schriftstellerkollegen indes Nähe zur "Pegida"-Bewegung, Islamophobie und diffuse Sozialängste vorgeworfen.

Bei der Lesereise Tellkamps vom 19. bis 23. März waren ursprünglich Stationen in Schleswig, Kiel, Lübeck und Hamburg vorgesehen gewesen. In dem Buch "Die Carus-Sachen" schildert der Arzt Tellkamp Leben und Werk seines Dresdner Vorgängers, des Mediziners Carl Gustav Carus, der zugleich auch Schriftsteller, Maler und Naturphilosoph war. Entstanden sei eine Liebeserklärung an alle, denen Kultur als Heimat und Schutzraum diene, besonders in Zeiten der Bedrängnis, heißt es dazu auf der Website des Eichthal-Verlags, der Tellkamps jüngstes Buch herausgibt.

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