Rana Ahmad
epd-bild/Christian Faustus
Rana Ahmad ist selbstbewusst, freiheitsliebend, geschieden und Atheistin. Ein Leben in Saudi Arabien konnte sie sich nicht mehr vorstellen und floh.
15.03.2018

Wer sich in Saudi Arabien öffentlich dazu bekennt, nicht zu glauben, lebt gefährlich: Auf Apostasie, "Abfall vom Glauben", steht mitunter die Todesstrafe.

2015 kam Rana Ahmad als Flüchtling nach Deutschland, heute lebt sie in Köln, wo sie Deutsch lernt und studieren möchte. In ihrem kürzlich erschienenen Buch "Frauen dürfen hier nicht träumen" erzählt die 32-Jährige eindrücklich von ihrem Leben als Außenseiterin in Saudi-Arabien und von ihrer Flucht nach Europa.

epd: Frau Ahmad, den ersten Kontakt mit Atheisten, die in muslimischen Ländern leben und sich verstecken müssen, hatten sie im Internet, über Twitter und Facebook. Welche Rollen spielen soziale Netzwerke für Atheisten im Nahen Osten?

Ahmad: In Saudi-Arabien konnte ich nicht frei reden über das, was mich beschäftigt oder was ich denke. Meine richtige Identität musste ich verleugnen. Das Internet ist die einzige Möglichkeit für Menschen wie mich, sich auszutauschen. Viele erleben dort ein Stück Freiheit. Twitter und Facebook lassen Atheisten aus dem Nahen Osten hoffen, dass der Tag kommt, an dem sie sich nicht mehr verstecken müssen. Dennoch stellen soziale Netzwerke nicht wirklich eine Gefahr für die Regierung dar, dazu ist sie zu stark. Sie hat die Gesellschaft zu sehr durch Repression und Kontrolle im Griff.

Angst im Flüchtlingsheim

epd: Sie haben in Deutschland die Organisation "Atheist Refugee Relief" gegründet. Wie kann man sich eine säkulare Flüchtlingshilfe vorstellen?

Ahmad: Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich erwartet, dass es extra Organisationen für atheistische Flüchtlingen gibt, doch ich wurde enttäuscht. Das war zu anfangs sehr schwierig für mich. Im Flüchtlingsheim habe ich meine wahre Identität immer versteckt und mich von gläubigen Muslimen bedroht gefühlt. Wir bekommen täglich viele E-Mails von Menschen, die unsere Hilfe suchen: Sie berichten von Problemen mit anderen muslimischen Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften oder brauchen Hilfe, um eine Wohnung zu finden. Kaum jemand nimmt uns wahr: Migranten aus dem Nahen Osten werden erst einmal als gläubige Muslime wahrgenommen. Die säkulare Flüchtlingshilfe will dieses Bild ändern.

Rückkehr nicht möglich

epd: In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie schwer der Abschied von ihrem Vater war und wie sehr Sie ihn vermissen. Er hat sie trotz Flucht nicht verstoßen. Gibt es Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen?

Ahmad: Auch wenn ich wieder Kontakt zu meinem Vater habe - wir telefonieren und schreiben uns E-Mails - vermisse ich ihn in jedem Moment meines Lebens. Ich bin sehr traurig, dass ich ihn so lange nicht mehr gesehen habe und wir getrennt sind. Ich kann nicht zurück. Doch auch wenn mein Vater mich besuchen würde, wäre das sehr gefährlich für ihn, weil ich mich öffentlich dazu bekannt habe, Atheistin zu sein, und mich für Frauenrechte in Saudi-Arabien einsetze. Hier in Deutschland fühle ich mich wirklich frei, aber es bleibt auch eine Leerstelle in meinem Herzen.

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