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Gristower Dorfkirche, Sonntag 10 Uhr. So viel Sonne, blauer Himmel, weiße Wolken, das passt nicht recht zum vorletzten Sonntag der Passionszeit, aber zur Ost- see, die direkt hinterm Friedhof glitzert. Wie groß und hell hier alles ist – und doch ziemlich klein. Die Kirche, der Friedhof, der Hafen, alles hat man in fünf Minuten umrundet, das Dorf Gristow, neun Kilometer vor Greifswald, wohl auch.
Anne Buhrfeind
Die Glocken läuten, ein alter Mann stellt sein Fahrrad ab, hängt einen Angeleimer an den Lenker und geht in die Kirche. Alte Mauern, mittelalterlich gegründet, eine renovierte Buchholz-Orgel, etwa 20 Besucherinnen und Besucher. "Die Kirche in Gristow, das sind die Menschen hier", sagt Pastor Volker Gummelt später. Sie haben sich gut um ihre Kirche gekümmert, sie sieht gepflegt aus und bewohnt.
Pastor und Gemeinde lesen Psalm 43. "Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?" Wir singen Psalmworte: "Sende dein Licht und deine Wahrheit." Sonnenstrahlen fallen auf den Strauß mit blühenden Forsythien. Das mit dem Licht können wir uns vorstellen. Aber die Wahrheit? Schwierige Sache gerade. Nie kam uns das Wort größer vor als heute.
"Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener"
Die Konfirmandin Sophie trägt lächelnd die Epistellesung für den Sonntag Judika vor. Sie ist schüchtern und spricht sehr leise. Pastor Gummelt predigt über das Herrschen und das Dienen. Im Gespräch mit Jakobus und Johannes, die sich um ihren Platz an der Sonne im nächsten Leben sorgen, erklärt Jesus: "Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun." Sicher sind alle in der Kirche bei diesen Worten auch in Gedanken in der Ukraine. Jesus fährt fort, nach Matthäus 20,26: "So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht." Der Pfarrer, der Kirchengeschichte an der Universität Greifswald lehrt, möchte, dass wir aus dieser Geschichte lernen, "das Geringe zu achten, das Ausgegrenzte wahrzunehmen, das Fremde anzunehmen".
Wir singen zu den Fürbitten, die auch den Hilflosen, den Optimisten, den Friedliebenden gelten, ein Kyrieeleison wie in der ukrainisch-orthodoxen Kirche, lassen uns segnen und verlassen berührt und doch heiter den Gottesdienst. Dann noch rauf auf den Turm, 48 Meter, und den Blick von da oben genießen. Der Bodden, die Ostsee und dahinten: Rügen. In die andere Richtung: der Dom von Greifswald. Schöner Sonntag.
Prof. Dr. Volker Gummelt
Ev. Kirchengemeinde Gristow-Neuenkirchen
Alwine-Wuthenow-Ring 11
17498 Neuenkirchen
Tel.: 03834 799196
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