- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Bewertung
Apfelgelee im Kirchenlied – und das in der altehrwürdigen Schlosskirche? Das Gelee ist samt Kaffeeduft in einer Neudichtung des Liedermachers Gerhard Schöne erwähnt; „Die güld’ne Sonne“, auf Frühstück getrimmt, ist das Eingangslied. Die frisch entstaubte Ladegastorgel prustet lautstark durchs Kirchenschiff, die Bänke sind immerhin halb besetzt. Alles gut, oder?
Na ja. „All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch!“, liest ein Mann vor. Sorgen? Irgendwie wirkt das deplatziert in dieser wohlausgestatteten Kirche, bei Gottesdienstbesuchern, die nicht aussehen, als seien sie gemeint. Als müssten sie sich um Kleidung oder um das Essen für den nächsten Tag sorgen.
Paul Gehardts Trost
Schon steht der freundliche Pastor auf der Kanzel, auf Augenhöhe mit Martin Luther, Philipp Melanchthon und sieben anderen Reformatoren, und direkt gegenüber von Johannes Bugenhagen. „Das ist tröstlich“, sagt der Pastor, „wenn die Gemeinde pennt, einer sieht mich immer an!“ Die Leute schmunzeln. Dann kommt der Pastor zu den Sorgen. Die Vögel sorgen sich nicht, heißt es im Predigttext – ja, aber er habe vor kurzem ein aus dem Nest gefallenes Schwalbenjunges gesehen. Sich nicht zu sorgen bedeute nicht, dass man unbeschadet durchs Leben komme. Am Ende erzählt er von Paul Gerhardt, der ganz in der Nähe lebte: Dessen Frau war in tiefster Trauer um zwei verstorbene Kinder. Paul Gerhardt habe sie mit dem Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ getröstet. Das stimmt die Orgel dann auch an. Kräftiger Gesang, die Sonne taucht die Kirche in sanftes Sommerlicht.
Alter Luther in neuer Melodie
Ein Mann im Anzug tritt ans Mikro. Die Schlosskirchengemeinde sei klein, sagt er, aber die Kirche habe sehr, sehr viele Besucher. Deshalb habe die Wittenbergstiftung 17 Männer und Frauen zu Kirchenführern ausgebildet. Einzeln werden sie nach vorne gerufen und eingesegnet. Die Gemeinde singt ihnen zum Dank „Swing Low, Sweet Chariot“. Da schnipsen die Finger des Pastors, und mancher Fuß wippt verstohlen mit.
Auch das Abendmahl im großen Kreis wirkt locker. „Verleih uns Frieden gnädiglich“ ist das Schlusslied – vom alten Luther, der hier viel gilt, aber in neuer Melodie und etwas mühsam zu singen. Das Zeichen ist aber schön: Was Luther begonnen hat, wird weiterentwickelt. Stillstand und Heldengedenken waren gestern. Das ist doch mal eine gute Botschaft aus einer der Hauptkirchen der Reformation.
Zur Gemeinde
Pfarrer Stefan Günther, Dozent am Ev. Predigerseminar
Telefon: 03491/505348
E-Mail: buero.propst.wbg@t-online.de