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Au! Au, Tor! Da steh' ich nun, ich armer Tor - es musste ja passieren, ganz klar. Ein Dutzend Leser und zwei Leserinnen haben in meiner Augustkolumne über Besserwisserei den falschen Akkusativ des Wortes "Autor" ("den Autoren Pascal Mercier") erkannt und mir dies mitgeteilt. Die einen taten dies mit spürbarer Schadenfreude, andere mit unverhohlenem Ärger, dritte einfach mit großer Wonne. Mein Dank gilt allen. Ein Besserwisser hat seine Meister gefunden. Vor allem aber weiß ich jetzt: Ich bin nicht allein in meinem sturen Festhalten an korrekter Sprache.
Und nun kann ich es ja verraten: Der falsche Akkusativ war ein bewusst produzierter Schnitzer, ein Test. Mein Freund Christian, der Chorleiter, hatte mir nach seiner Lektüre des Textes dringend abgeraten, es dem Publikum so schwerzumachen. (Von Christian soll ich übrigens ausrichten, er fühle sich keineswegs bloßgestellt, schließlich werde seine musikalische Empfindlichkeit positiv gegen seine mangelnde sprachliche gesetzt.) Deklinationsfehler erkenne doch heute niemand mehr, meinte er. Irrtum.
Einen Fehler dezidieren
Christian hatte dafür plädiert, ein falsch verwendetes Fremdwort einzubauen. "Du könntest den Lesern zum Beispiel einen Fehler dezidieren oder dich dediziert gegen sprachliche Schluderei wehren." Unser chrismon-Korrektor, der jeden Text gegenliest, wollte hingegen einen klaren Hinweis auf den eingebauten Fehler am Ende der Kolumne stehen haben. "Sonst meinen die Leute, nicht nur der Chef sei nicht sattelfest, sondern auch die Korrektoren seien es nicht." Ich ließ mich davon nicht beeindrucken.
Einer offenen Einladung zur Fehlersuche wären auch jene gefolgt, die den Testschnitzer ansonsten glatt überlesen hätten. Und die Fehlermeldung hätte uns auch von denen erreicht, die es jetzt aus Großmut und Bescheidenheit nicht als der Mühe wert erachtet haben, einen Leserbrief zu schreiben. Kurz: Das Ergebnis wäre ein verzerrtes gewesen.
Man mag einwenden, dass der Fehler an sich - keineswegs nur der sprachliche - höchst unterschiedlichen Charakter haben kann. Flüchtigkeitsfehler machen alle. Einspruch? Stattgegeben: fast alle. Manche sind wirklich vollkommen. Ich bin nur noch niemandem dieser Sorte begegnet.
Logische Fehler oder Denkfehler sind eine andere Kategorie.
"Der Allereinzigste"
Der falsche Superlativ in der Kolumne ("der Einzigste") ist ein solcher gewesen. Wer kurz darüber nachdenkt, wird es sofort bemerken. Mehr oder weniger als "einzig" geht nicht. Außer im Rheinland. Ein Schreiber wies mich darauf hin, dass der Kabarettist Konrad Beikircher sich mit diesem Thema bereits endgültig beschäftigt hat. Im Rheinland lauten die Steigerungen von "der Einzigste": "der Allereinzigste, der Allereinzigste överhaupt".
Eine dritte Spezies bilden die Fehler aus Überheblichkeit. Zu dieser Gruppe gehört die fehlerhafte Deklination des lateinischen "Autor". Aus welchen Gründen auch immer soll es gebildet klingen, statt "des Autors, dem Autor, den Autor" im Singular "des Autoren, dem Autoren, den Autoren" zu beugen. Gemeinsam ist allen Fehlern ein Nichtwissen - es sei denn, sie werden bewusst und vorsätzlich produziert. Dann sind sie entweder ein Zeichen von Frechheit und Arroganz oder heldenhaften Widerstands.
Dass man Widerstand auch mit der richtigen Deklination leisten kann, hat übrigens der Wiener Satiriker Moritz Saphir gezeigt. Als er einmal in einem Kaffeehaus neben einem Antisemiten zu sitzen kam und dieser ihn als Juden erkannte, zischte ihm der Tischgenosse zu: "Ein Jud' - der Auswurf des Auswurfs." Daraufhin spuckte ihm Saphir auf den Kuchenteller und sprach dazu: "Dem Auswurf den Auswurf." Das war in jedem Sinne des Wortes goldrichtig.
Zum Schluss meine Bitte an alle Konifären und Kapuzitäten in der verehrten Leserschaft: Zögern Sie "in keinster Weise" (wie Klinsmann sagen würde), das chrismon-Team auf Fehler aller Art aufmerksam zu machen. Nur so können wir besser werden. Denn ohne erkannte Fehler gibt es kein Gespräch darüber, was richtig ist. Die Pädagogen unter Ihnen wissen es längst.