Arnd Brummer trifft einen alten Freund
Lena Uphoff
15.11.2010

Neulich hat mich mein alter Freund Heinz besucht. Ich habe mich sehr gefreut, als er vorfuhr. Mehr als 20 Jahre hatten wir uns nicht mehr gesehen, überschlugen wir, während ich Kaffee kochte. Heinz stand bei mir in der Küche und erzählte mir, was sich seitdem bei ihm so getan hatte. Er hat tatsächlich seine Jugendfreundin Gerti geheiratet, BWL studiert und ist dann in die Versicherungsagentur seines Schwiegervaters eingestiegen. Man kann das, wie gerade geschehen, in einem Satz zusammenfassen.

Christine! Na? Klingelt's? Nee?

Als ich nach einer Viertelstunde mit dem Kaffeetablett ins Wohnzimmer rüberwechselte, war Heinz gerade dabei, mir zu erklären, wen er warum vor 19 Jahren zur Hochzeit eingeladen hatte. Er trottete neben mir her, ohne seine Erzählung zu unterbrechen: "Tja, aus meiner Klasse eigentlich niemanden. Nur den Max, den kennst du noch, der Sohn von der Adler-Apotheke, die haben jetzt übrigens die Ladenfront am Marktplatz völlig neu gestaltet, hat übrigens die Wagemann gemacht. Christine! Na? Klingelt's? Nee? Christine Wagemann ist Architektin geworden. Und die macht speziell solche Sachen, Geschäfte und Läden und so." ­ Christine Wagemann? Kenn ich nicht! ­ "Doooch, die kennst du! Klar. Die war mit dem Späth Armin zusammen, der in der Bahnhofssiedlung seine Honda gegen den einzigen Baum weit und breit gelegt hat. Übrigens schlimme Geschichte mit dem Armin. Nicht der Motorradunfall! Nee, Krebs! Hodenkrebs! War dann lange in der Klinik. Professor Muffler. Der Stimmenkönig von den Freien Wählern bei der Kreistagswahl, weißt du. Der mit dem roten Cabrio..."

Mir wurde langsam etwas mulmig. Eigentlich wollte Heinz ja nur anderthalb Stündchen bleiben. Aber bei dieser Erzählweise hätten wir dann noch nicht einmal den Tag der Trauung erreicht. Und dann kam der Augenblick des Schreckens. Heinz schien meine Gedanken erraten zu haben. Oder hatte er mitbekommen, dass ich ganz unbewusst auf meine Armbanduhr gesehen hatte? "Eigentlich wollte ich ja nur bis drei bleiben. Aber jetzt, da wir so gemütlich beim Plaudern sind... ich habe es gar nicht eilig. Wahrscheinlich komme ich nach dem Feierabendverkehr auch viel schneller durch, als wenn ich jetzt fahre. Übrigens mein neues Auto, dieser Audi, wenn du zum Fenster rausguckst: Ich stehe da drüben. Ich glaube da ist "Nur mit Parkschein". Werden bei euch auch so viele Strafzettel geschrieben? Knöllchen heißt das, glaub ich, bei euch in Norddeutschland. Neulich habe ich 150 Euro gezahlt. Nein, nicht wegen Parken. Auf der Autobahn. War ein bisschen zu schnell unterwegs. Habe mir einen Anwalt genommen. Schadebach, ein ganz scharfer Hund, Spezialist für Verkehrssachen, hat mir der Rudi empfohlen..." Heinz reagierte nicht, als ich aufstand, um aufs Klo zu gehen. Obwohl ich gar nicht musste. Doch, ich musste! Ich brauchte eine Pause. "Du entschuldigst", sagte ich in den Plapper-Sturzbach hinein. "Kein Problem", sagte Heinz und schickte sich an, mich bis zur Klotür zu begleiten, während er fortredete: "War gut, der Tipp von Rudi. Rudi hat übrigens bereits die dritte Frau. Brasilianerin. Sieht aber aus, als wäre sie Schwedin. Rotblond. Über einsachtzig groß. Nix kaffeebraune Schönheit..." Rums, ich zog die Klotür ins Schloss und drehte den Schlüssel rum. Draußen redete Heinz nun eine Stufe lauter.

Ich setzte mich auf den Deckel. "...schöne Wohnung. Die Bilder hier im Flur. Ist das dein Sohn? Schon so groß..." Unser Telefon läutete. Ich rannte raus, an dem verdutzten Heinz vorbei. Meine Frau. "Gut, Schatz, ich hole dich ab. Nein, macht mir nichts aus. Nein, Heinz will sowieso gerade gehen. Alles klar, Viertelstunde. Schillerstraße, bis gleich!" Ich schob Heinz zur Tür: "'tschuldige, war toll. Grüß Gerti. Wie geht's ihr denn? Das erzählst du mir nächstes Mal!"

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