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Ich kann nicht handeln. Ich konnte es nie. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin im allgemeinen Sinne des Wortes durchaus handlungsfähig - nur im engeren nicht: Ich kann nicht feilschen.
Ich kann nicht feilschen
Neulich saß ich mit meinen Sportkollegen Uli und Max nach dem Training noch auf ein Glas zusammen. Uli drückte das Kreuz durch: "Na? Fällt euch gar nichts auf?" Hmmm - nix fiel mir auf. Nie fällt mir was auf. Da bin ich noch schlechter als beim Feilschen. "Klar, die Lederjacke", sagte Max. "Genau, die Lederjacke. Kostet normalerweise 650 Euro. Mindestens. Ich habe sie für 350 gekriegt." Interessant, bemerkte ich. Am Tonfall erkannte Uli sofort, dass ich genau das Gegenteil ausdrücken wollte. Uli mag das nicht. Gar nicht mag er das.
So saß ich denn eine Viertelstunde stumm daneben, während Max in allen Einzelheiten erfuhr, wie Uli die Verkäuferin manipuliert hatte. "Da. Siehst du den kleinen Fleck unter der Achsel. Völlig normal bei Wildschweinleder. Weiß ich doch. Aber zu ihr hab ich gesagt: Das ist doch zweite Wahl. Ich bin Jäger, ich weiß das. Sie hat ihren Chef geholt. Der hat lamentiert, das Teil sei sowieso schon runtergesetzt auf 450." Aber Uli hat nachgelegt: "Und dann, Max, musst du dich dem Innenfutter zuwenden. Miserabel vernäht, habe ich gesagt. Ganz laut. War viel los. Alle haben sich zu uns umgedreht. Da verlor der Fatzke die Nerven. Wenn ich noch ein Hemd dazunähme, murmelte er, würde er mir das Ding für 370 lassen." Uli legte noch drei Paar Socken drauf und bot 350 an. Gekauft, erledigt, die Jacke war die seine.
Rabatt und Nachlass, lass dir sagen, wird immer vorher draufgeschlagen
Ich kann so was nicht. Als mein Onkel Gustav starb, habe ich meine Tante zum Steinmetz gegenüber dem Friedhof begleitet. Er hat uns einen Grabstein aus Litauer Granit gezeigt. 2000 Euro. Schön, sagte ich, den nehmen wir. "Bist du verrückt", zischte Tante Bärbel, "den kriegen wir billiger." Die Witwe handelte den armen Meister auf 1200 runter. "Tja", triumphierte die Tante, als wir die Werkstatt verließen, "das musst du noch lernen, mein Junge. Rabatt und Nachlass, lass dir sagen, wird immer vorher draufgeschlagen - das ist die Regel. Das hat der alles schon kalkuliert. Das hol ich mir. Ich bin jetzt alleinstehend und habe nichts zu verschenken." Wahrscheinlich hat sie Recht. Jedenfalls hatte sie an der Unterseite des Granitblocks eine tiefe Scharte entdeckt "stümperhaft behauen". Das reichte.
Meinen Hinweis, die Scharte könne man doch gar nicht sehen, wenn der Stein aufgestellt sei, fand sie daneben: "Stimmt. Aber das muss ich diesem Menschen doch nicht auf die Nase binden. Jeder muss sehen, wo er bleibt."
"Mit naiven Leuten wie dir treibt man die Welt um."
Mir ist das unangenehm. Entweder mir gefällt etwas, dann kaufe ich es. Oder es gefällt mir nicht und ich kaufe es nicht. Tante Bärbel schüttelte resignierend den Kopf: "Mit naiven Leuten wie dir treibt man die Welt um." Das immerhin gab mir zu denken.
Gestern hatte ich einen wichtigen Termin in Berlin. Mein Zug hatte Verspätung. Am Bahnhof Zoo nahm ich ein Taxi zu meinem Ziel im Grunewald. Der Taxifahrer verfuhr sich, die Uhr tickte, die Zeit drängte. "Entschuldigen Sie bitte", sagte er, als wir gerade noch rechtzeitig vor dem Haus anhielten, "es ist mir peinlich. Ich ziehe vom Preis drei Euro ab." Eine menschliche Geste, die mich berührte.
Als ich meinem Gesprächspartner davon erzählte und ihm den reduzierten Preis nannte, meinte er nur: "Das sind immer noch zwei Euro mehr, als die Fahrt eigentlich hätte kosten dürfen. Sie haben dem Kerl hoffentlich kein Trinkgeld gegeben?"
Nein, nein, auf keinen Fall, sagte ich. Wäre ja noch schöner! Nein, kein Trinkgeld! Genau genommen habe ich nur von 12,30 auf den nächsten Euro aufgerundet.