Lena Uphoff
15.11.2010

Pit ist eine jener Betriebsnudeln, ohne die kein Verein etwas zustande bringt. Er produziert Ideen für Feste und bunte Abende aller Art, für gemeinsame Ausflüge, Grillnachmittage und Weihnachtsfeiern. Und nicht nur das -­ er setzt sie auch selbst ins Werk.

Pit ist Rentner. Früh am Morgen sitzt er am Computer und organisiert. Er schreibt Einsatzpläne, verhandelt mit Getränke-Lieferanten und Hotels, gewinnt Sponsoren für die Festschrift der Tennisabteilung. Während wir uns gerade mental auf die Weihnachtsfeier 2005 vorbereiten, macht Pit das Programm für die von 2006 fertig und bucht die Zimmer für die Osterfreizeit 2007.

"Du bist die Seele des Vereins"

Fast alles, was Pit anpackt, wird ein Erfolg. Und so ist jede Jahreshauptversammlung für ihn ein Bad in Ehre und Anerkennung. "Du bist die Seele des Vereins", lobt ihn der Vorsitzende im Rechenschaftsbericht. Heftiger Applaus. "Ohne dich wäre das Sommerfest ein Fiasko geworden", legt der Schatzmeister ein Zweiglein Lorbeer nach. "Und der Ausflug der Jazzgymnastik-Frauen nach Paris wurde dank Pits Reiseleitung ein Riesenerfolg", schließt die Abteilungsleiterin krönend ab. Pit grüßt lächelnd nach allen Seiten. Ruhm und Ehre sind sein Lohn. Deswegen heißt es ja auch, man macht etwas ehrenamtlich.

Lügen sie denn alle? Erinnern sie sich nicht daran, wie sie ständig unter Pits Tatendrang leiden? Genau jene, die heute begeistert klatschen.

"Der Mann kennt keine Grenzen", seufzte der Vereinsboss jüngst, nachdem Pit im Namen des Clubs 50 Hotelzimmer in Paris reserviert hatte ­ "ohne Rücksprache! Der bringt uns in Teufels Küche!" Ich kann das nachfühlen. Wenn ich schon Pits Namen unter den Absendern eingehender E-Mails lese, möchte ich die elektronische Botschaft gar nicht öffnen. Die meisten enthalten klare Anweisungen: "Bitte, hole doch die Einladungen vom Drucker ab. Spätestens Donnerstag! Habe ich fest zugesagt! Und wenn du dahin fährst, nimm beim Gärtner nebenan die Blumengestecke für den Seniorennachmittag mit. Bitte bezahlen und Rechnung geben lassen!" Der Mann hat Nerven! Ich besitze keinen Lieferwagen und außerdem bin ich Donnerstag auf Geschäftsreise.

Ich habe die Sachen am Freitag abgeholt und Pit gebracht. "Prima", sagte er, "außer dir und mir tut sowieso niemand etwas für den Club. Und unser Vorsitzender ist ein fauler Wichtigtuer!" Ich beeilte mich, zur Tür rauszukommen. Pits Schimpftiraden sind legendär und endlos.

In der jüngsten Vorstandssitzung kam es zum Eklat. Der frisch gewählte Vize, ein schneidiger Jurist, hatte eine vielseitige Kladde mit Zitaten von Pits Schmähreden über den gesamten Vorstand gesammelt, die der beim Bier gegenüber dem einen oder anderen abgelassen hatte, und forderte den Urheber auf, sich dazu öffentlich zu bekennen.

Pit trat noch in derselben Viertelstunde zurück und stürmte aus dem Vereinslokal. Alle Versuche, ihn zum Einlenken zu bewegen, waren gescheitert. Der Verein ohne Pit? Undenkbar. Pit ohne den Verein ­- ein Häuflein Depression. Wir wissen es von seiner Frau.

Wer so viel tut, muss auch mal Dampf ablassen

Zeugwart Jens, der sonst nie etwas sagt, nahm sich den neuen Vize vor: "Dass Pit über alle mault, ist hier jedem bekannt. Wir haben die Klappe gehalten. Wer so viel tut, muss auch mal Dampf ablassen. Und wenn er dir damit auf den Wecker geht, musst du es ihm dort sagen, wo es hingehört: beim Bier! Die Schimpferei ist seine Schwäche. Musstest du ihn so bloßstellen?" Viele von denen, die der Ankläger als von Pit Beleidigte aufgelistet hatte, nickten beifällig. Der zweite Vorsitzende starrte Jens fassungslos an. Was Jens meinte, hat er wahrscheinlich bis heute nicht verstanden.

Und organisieren kann der Vize übrigens auch nicht.

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