Foto: Sven Paustian
Lena Uphoff
18.04.2012

Etwas Entspanntes für den Mai schreiben, leicht und locker, passend zum Wonnemonat, dachte ich heute Morgen und blinzelte beim Aufstehen vergnügt in die Frühlingssonne. Auf dem Weg zum Badezimmer fiel mein Blick auf die Wand im Flur. Riesige feuchte Flecken! Patschnass die Wand. Die alarmierten Handwerker befanden: Wasserrohrbruch.
Ich wollte heute besonders früh im Büro sein. Schreibtag, die Kolumne! Über Weisheit, über Gelassenheit, über Frühlings­gefühle. Nun musste ich das an den Flur grenzende Büro ausräumen, weil die Handwerker nur genau hinter meinem größten Bücher­regal in die Wand dringen konnten. Super!

Dann wenigstens meine Mails lesen, während die Klempner bohren und hämmern. Mist! Ausgerechnet heute streikt die Internetverbindung. Keine Zeit zur Fehleranalyse. Ab ins Auto. Auf dem kurzen Autobahnstück, in einem Tempo-100-Bereich, fahre ich auf der rechten Spur. Vor mir steigt einer heftig in die Bremsen. Ich ziehe nach links raus. Just vor die Schnauze eines massigen dunkelblauen Fahrzeugs mit der bayerischen Raute auf dem Kühler. Entschuldigend hebe ich die Rechte.

Von wegen Zuhälterkarre - das ist die Polizei

Aber die Kerle in der Zuhälterkarre geben mir eine grelle Lichthupe aus dem Kühlergrill. Irgend so ein aufgemotztes, schrilles Extra. Beruhigend senke ich den ausgestreckten Arm mit der Handfläche: Cool down! Relax! Chill doch!
Das scheint die Kerle erst recht herauszufordern. Und plötzlich stellen sie die Lichthupe auf Dauerbetrieb, werfen eine Sirene an und setzen sich vor mich. Ein Schild im Heckfenster poppt auf: Polizei – folgen!

Auch das noch! Ein Supertag für entspannte Notizen zum Lenz. Die Typen in dem Auto lotsen mich auf eine meinem Ziel genau entgegengesetzte Straße. Am nächsten Parkplatz halten wir an. Zwei athletische Typen in Dunkelblau mit Revolver im Schulterhalfter bauen sich vor meiner Tür auf. Ich bin todsauer und abgenervt. Es kommt zu einem beiderseits nicht sehr höflichen Wortwechsel.

Der eine Polizist, offenbar der ranghöhere: „Wir haben alles auf Video. Sie haben uns geschnitten und sich dann als Verkehrs­erzieher aufgespielt.“ Ich: „Stimmt nicht! Ich musste ausweichen und habe ein Zeichen der Entschuldigung gegeben!“ Er: „Sie haben unser Blaulicht ignoriert!“ Ich: „Blaulicht ist auf dem Dach! Ich habe das Signal aus Ihrem Kühler für ein Extra von Dränglern gehalten.“ Er: „Halten Sie den Mund, jetzt rede ich!“ Meine Antwort: „Das ist ja unmöglicher Stil! Wie im Wilden Westen! Ihren Namen und Ihre Dienstnummer!“ Er: „Erst mal nehmen wir Ihre Personalien auf. Das gibt eine Anzeige!“ – „Da freue ich mich drauf.“

„Dann gehen Sie mit Ihrer Familie mal schön essen!“

Die beiden setzen sich in ihr Auto. Der Anführer notiert meine Daten, der zweite Mann sagt: „Regen Sie sich doch nicht so auf. Wir haben gerade einen vor uns fahrenden Motorradfahrer per Radar gemessen, und da sind Sie uns dazwischengekommen.“ – „Das tut mir leid“, sage ich. „Ich musste ausweichen.“ – „Und hier auf dem Parkplatz müssen Sie doch nicht so ausrasten“, fährt er in milderem Ton fort. Da hat er recht, gebe ich zu verstehen. Tut mir leid, bin unter Zeitdruck, heute ist Schreibtag. Er: „Ja, tut uns auch leid. Lassen Sie mich mal kurz mit dem Kollegen reden.“

Sie fahren die Scheiben hoch und reden miteinander. Eine M­inute, zwei Minuten. Ich merke, wie sich in meinen Adern ­wieder das köstliche Adrenalin bemerkbar macht. Dann steigt der Anführer aus. „Sind Sie einsichtig?“, fragt er. Ja, nicke ich. „Lassen Sie das nächste Mal die Gesten. Drängler – und denen gilt unsere Aufmerksamkeit – mögen so was nicht, da können Sie Ärger ­kriegen. Und noch was: Haben Sie Familie?“ Ich nicke wieder. „Dann gehen Sie mit Ihrer Familie mal schön essen! Die Anzeige lassen wir. Sie sind ja einsichtig.“

Wir schütteln einander die Hand. Ich fahre ins Büro. Eigentlich wollte ich eine leichte und lockere Mai-Kolumne für Sie schreiben, liebes Publikum. Geht das so?

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Voll und ganz! Ein super Artikel, und entsprechend dem Gelassenheitspegel, auf welchem auch ich mich befinde.
Nur, dass sich die Gelassenheit nicht einstellen will. Vor mir auf dem Bildschirm sehe ich ein Foto mit der Aufschrift "Hilfe für unterdrückte, missbrauchte und schutzlose Frauen", und ich frage mich, was ist nur los mit uns Frauen in dieser verstossenen Welt ?!!! Warum werden wir nicht wirklich geliebt, als das, was wir sind: wertvolle, intelligente, besondere menschliche Wesen ? Eine verletzte Seele, ganz gleich, ob die eines Kindes, oder eines erwachsenen Menschen, ist so zart und flüchtig und verletzlich wie ein kleiner Vogel, den ich in meinen Händen halte....Und ich stelle hier diese EINE Frage: W I E S O ??? Ich habe den Eindruck, dass wir umdenken müssen, denn solange wir Menschenrechtsverletzungen nicht zum eigenen persönlichen Anliegen machen, wird sich nichts ändern ! Die Seele geht ihren eigenen Weg zu Gott, doch in der Welt bedarf der Mensch des Schutzes, bis er selber aufzustehen in der Lage und bereit ist. Ich glaube nicht, dass Gott ein schlechter Handwerker ist, nicht nur das: er ist perfekt, so also auch sein Werk, nur ist eine Welt in steter Bewegung und manchmal läuft alles schief ! Diese verdammten Momente ...Viele Grüße !