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Diese Kolumne sollten Sie lesen, wenn…
- Sie plötzlich von Solarpartys hören oder sogar auf eine eingeladen sind, aber noch keine Ahnung haben, was das ist.
- Sie wissen möchten, mit welchen Kosten Sie rechnen müssen, wenn Sie eine PV-Anlage auf Ihrem Dach installieren möchten.
- Sie sich fragen, ob ein Speicher zusätzlich zu einer PV-Anlage sinnvoll ist.
- Sie nicht wissen, was Sie von Volker Wissings Plan halten sollen, Stromspeicher zu fördern, wenn man sich eine Solaranlage und ein Elektroauto kauft (und ein Haus besitzt).
Ein Montagabend in einem Reihenhaus im Frankfurter Stadtteil Kalbach: Es wird eng auf den Sofas, die Gäste rücken zusammen, einige setzen sich an den Esstisch. Einen guten Blick auf den Fernseher haben sie trotzdem. Ein Serienabend unter Nachbarn? Nein. Eine Solarparty!
Kalbach gehört zwar zu Frankfurt, ist aber eher ein Dorf am Rande der Großstadt. Man kennt sich, es gibt viele Einzel- und Reihhäuser, viel Nachbarschaft also. Und reichlich Dächer. Eine gute Voraussetzung für eine schöne Solarparty.
Viele der Gäste kennen auch den Botschafter, der durch den Abend führt, Hendrik Stange; er lebt mit seiner Familie unter einem Dach mit Solaranlage. Hendrik ist Bauingenieur für Verkehrswesen, hat promoviert, sein Verständnis für Technik ist ausgeprägt – die Lust am Erklären auch. Das wusste ich schon vorher, wir haben uns bereits oft unterhalten über die Energiewende. Auch die Gäste an diesem Abend merken es schnell.
Die Idee hinter den Solarpartys
Hendrik engagiert sich ehrenamtlich für den Solarenergie-Förderverein Deutschland und die Initiative „packsdrauf“, die zum Verein gehört. Der Verein macht sich eine Erkenntnis aus den Sozialwissenschaften zu eigen: Wenn Nachbarn etwas vormachen, das gut funktioniert, werden andere neugierig und zu Nachahmern – eine Art positiver sozialer Druck. „packsdrauf“ versorgt die Botschafterinnen und Botschafter mit Präsentationen, die – je nach Gesetzeslage – aktualisiert werden. Und dann halten sie Vorträge auf Partys.
Auch Hendrik startet mit den Vorlagen des Vereins, auf dem Fernseher leuchten Grafiken, Zahlen, Daten und Informationen auf. Zum Beispiel, welche Vorteile eine eigene Solaranlage bietet. Klar, man trägt bei zur Energiewende, tut etwas für die Einhaltung der Klimaziele und gegen den "Klimanotfall" (ein passender Begriff, ich habe ihn bei Maren Urner in einem hörenswerten Interview aufgeschnappt, kleiner Tipp am Rande!). Aber ein Punkt ist den meisten Menschen im Raum dann doch neu, die PV-Module führen zu weniger Hitze im Dachgeschoss. Und die Hitzewelle in der ersten Julihälfte ist vielen noch gut in Erinnerung…
„Die Solaranlage sollte mindestens so groß sein, wie das, was man als Strom verbraucht“, erklärt Hendrik. Meistens wird für den Verbrauch eines Vier-Personen-Hausaltes ein Jahresverbrauch von etwas mehr als 4000 Kilowattstunden angenommen. Hendrik hat aber ein Hybrid-Auto, das typische Pendlerstrecken auch gut vollelektrisch schafft – wenn der Akku voll ist. Also liegt der Stromverbrauch seiner Familie höher, denn das Auto hängt oft an der Wallbox. Ein Panel kostet etwas mehr als 100 Euro und hat dabei eine Leistung von maximal 400 Watt, rechnet Hendrik vor. Eine Anlage mit 20 Modellen hat eine Leistung von 8000 kWp; kW steht für Kilowatt, „p“ für „Peak“, also die maximale Leistung bei optimaler Sonneneinstrahlung. Mit einem Wechselrichter, der Gleich- in Wechselstrom umwandelt, landet man bei Materialkosten von 5000 bis 6000 Euro, erklärt Hendrik. Dazu kommen die Kosten für die Montage und das Personal, das anrückt, um die PV-Anlage aufs Dach zu bringen. Gemurmel im Raum, ein deutlich fünfstelliger Betrag kommt schnell zusammen. Viel Geld!
Die Gretchenfrage: Macht man das aus Idealismus oder rechnet sich das?
„Wirtschaftlich ist nicht der Verkauf von Strom, sondern der Eigenverbrauch“, berichtet Hendrik aus seinen Erfahrungen. Wenn Hendrik seinen eigenen Strom im Sommer nicht verbrauchen kann, speist er ins Netz ein, dafür bekommt etwa sieben Cent für die Kilowattstunde. „Diese sieben Cent machen keine Anlage wirtschaftlich. Aber wenn ich eigenen Strom verbrauche, kaufe ich keinen Strom aus dem Stromnetz für 30 Cent die Kilowattstunde.“
Hendrik gibt ein Rechenbeispiel: Wenn ein Haushalt 3000 Kilowattstunden an eigenem Solarstrom auch selbst verbraucht – und bei gängigen Größen von Anlagen von sieben bis zehn kWp ist das möglich –, spart das 30 Cent pro Kilowattstunde. Sind also 1000 Euro im Jahr. Mit so einer Anlage ist es auch möglich, die doppelte Menge an Strom einzuspeisen, also 6000 Kilowattstunden im Jahr. Daran verdient man, so Hendrik, dann aber "nur" an die 500 Euro. Es sind also der Eigenverbrauch und die Stromersparnis, die eine PV-Anlage wirtschaftlich machen. Etwas mehr als eine Dekade muss man schon rechnen, bis man die Investition wieder erwirtschaftet hat.
Also gilt für Hendrik: Den Verbrauch steuern und Geräte einschalten, wenn die Sonne scheint. Auch wenn es heißt, dass das dreckige Geschirr im Zweifel auch mal über Nacht in der Spülmaschine steht oder die Wäsche warten muss. Spül- und Waschmaschine, die beide pro Durchlauf gut und gern eine Kilowattstunde Strom ziehen, machen Stanges nicht nachts an, denn dann gibt es keinen Solarstrom.
Eine Wallbox macht immer Sinn
Hendrik gibt an diesem Abend allen Gästen einen Rat: „Plant eine Wallbox mit ein, die E-Mobilität setzt sich durch. Die Wallbox ist gekoppelt mit der Solaranlage, es wird nur so viel geladen, wie gerade Sonnenstrom vom Dach kommt.“ Einen Vergleich hat Hendrik auch parat: Koppelt man ein E-Auto mit einer Schnellladestation, kostet die Kilowattstunde 95 Cent. Angenommen, ein Auto fasst 60 Kilowattstunden und kommt mit 11 Kilowattstunden 60 Kilometer weit, dann kosten diese 60 Kilowattstunden mehr als zehn Euro. Wenn man das Auto zu Hause lädt, ist es günstiger. Hendrik: "Mein Auto verbraucht 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer, multipliziert mit sieben Cent sind das auf 100 Kilometer gerade einmal etwas mehr als ein Euro 'Sprit'-Kosten."
Viele Gäste haben Fragen zu Stromspeichern. Macht es Sinn, überschüssigen Strom vom Dach zu speichern, um ihn später zu verbrauchen? Die salomonische Antwort: „Kommt darauf an!“ Speicher sind teuer. Pro Kilowattstunden an Kapazität kann man mit 500 bis 600 Euro an Kosten rechnen. Ein 10 Kilowatt-Speicher verteuert also den Kauf 10 Kilowatt-PV-Anlage um 10.000 Euro. Hendrik findet, dass an sonnigen Tagen, an denen er gut und gern 50 Kilowattstunden Sonnenstrom „erntet“, sehr schnell voll sind; eine Einspeisung ins Stromnetz verzögern sie nur, verhindern sie aber nicht. In den Wintermonaten dagegen werden die Speicher nicht voll. Fazit: „Bei Familien, die abends erst nach Hause kommen und dann alle Geräte einschalten und ihr Auto vollladen, kann ein Speicher sinnvoll sein. Ein reines E-Auto verändert die Rechnung.“
Zu 65 Prozent autark - bei Strom und Wärme!
Stanges haben sich für eine andere Lösung entschieden: Gibt es viel Solarstrom, hält eine Wärmepumpe 300 Liter Wasser warm. Und das mehrere Tage. Bei Stanges kommt es vor, dass alle Familienmitglieder an trüben Novembertagen wohlig-warm mit Wasser duschen können, das zuvor an sonnigeren Tagen erhitzt worden war. „Eine Wärmepumpe macht aus einem Kilowatt Strom noch drei Kilowatt Wärmeenergie. Und das für sieben Cent für den Strom vom Dach, die ich sonst ins Netz einspeise. Ab Anfang März bis in den Oktober habe ich keine Kosten mehr für Warmwasser.“ Das leuchtet nicht nur mir ein, ich sehe viele nickende Gesichter. Unterm Strich erreichen Stanges eine Unabhängigkeit von 65 Prozent – für Strom und Wärme!
Die Diskussion ist eröffnet, ich bin erstaunt, wie gut sich die Partygäste vorbereitet haben und wie sehr ihre Fragen ins Detail gehen. Was ist, wenn Hagelkörner Module kaputtmachen? „Dafür gibt es eine Versicherung, die kostet mich 50 Euro im Jahr“, antwortet Hendrik. Wann macht eine Wärmepumpe Sinn? Denn, soviel wissen die Gäste nach dem Vortrag, die Stanges leben in einem Neubau, der gut gedämmt ist. „Aber die Wärmepumpen werden immer effektiver, sie heizen auch ältere Häuser und eine Fußbodenheizung ist auch kein Muss.“ Ein Gast will wissen: Wir haben ein Dach, auf das mehr Leistung passt, als wir an Strom verbrauchen. Sollen wir uns nach unserem Verbrauch richten oder aus Idealismus so viele Module aufs Dach bringen wie möglich und erlaubt? Hendrik antwortet sofort: „Packt es drauf, alles was geht.“
Mein Fazit des Abends: Es ist schön zu sehen, wie aus Energiekonsumenten vielleicht schon bald Energieproduzenten werden können, die mitreden wollen. Das hat das Potential für einen richtigen Ruck. Und der muss auch kommen, denn die Bundesregierung möchte jählich 22 Gigawatt Leistung aus Sonnenenergie zubauen, um ihr Ziel zu erreichen: 80 Prozent des Stroms sollen die Erneuerbaren bis 2030 liefern. Vor dem Krieg in der Ukraine war die Zubaurate mehr als zehnmal niedriger!
Ich frage mich aber auch, wie die Hälfte der Menschen in Deutschland dazu beitragen kann, die kein eigenes Dach hat, sondern zur Miete wohnt. Der Solarförderverein, für den Hendrik sich engagiert, arbeitet hierzu an Vorschlägen. Ich bin gespannt!
Was von Wissings Idee zu halten ist...
Und ein kurzer, aktueller Nachtrag: Kurz nach der Solarparty verkündete Bundesverkehrsminister Volker Wissing, Haushalte zu fördern, die eine PV-Anlage installisieren, dazu einen Speicher kaufen und ein Elektroauto fahren oder verbindlich vorbestellen. Bis zu 10.200 Euro kann es geben, der Topf dafür ist bei 500 Millionen Euro gedeckelt. Wissing will damit besonders Pendlerinnen und Pendler unterstützen.
Was kann man davon halten?
Jan Mahn hat dazu bereits einen lesenswerten Kommentar geschrieben. Als Mieter möchte ich ergänzen: Mir sieht das sehr nach Klientelpolitik aus. Zum Zuge kommen Menschen, die ein Haus haben. Bisher habe ich auch nichts von einer Einkommens- oder Vermögensprüfung gelesen. Im Zweifel bekommen wohlhabende Menschen einen Speicher geschenkt.
Hendrik, der Solarpartyreferent, gab mir auch noch einen Gedanken mit auf den Weg: Wer Sonnenstrom erzeugt und speichert, nimmt schon Energieverluste in Kauf. Wer dann wieder Strom vom Haus- auf den Autoakku umlädt, hat noch einmal höhere Verluste.
Ist das am Ende vielleicht einfach undurchdacht, schlecht kommuniniziert und Klientelpolitik, mit einer Umverteilungswirkung von unten nach oben, während für das 49 Euro-Ticket oder die Kindergrundsicherung nicht mehr Geld da ist?
Die Anwort auf diese Frage möge jede(r) für sich finden...